Das Generationenhaus in Stattegg bei Graz steht für neue und aktive Wohn-und Lebensformen. Die Bewohner revanchieren sich, indem sie den örtlichen Maibaum „bewachen“.
Selbstständig und selbstbestimmt bleiben, solange es geht. Das ist das Ziel jeder Einrichtung des Betreuten Wohnens, auf besondere Weise aber in Stattegg, der Grazer Nachbargemeinde im Nordosten. Denn dieses Haus wurde nicht verschämt am Rand der Gemeinde errichtet, sondern ist selbstbewusst Teil des neu geschaffenen Ortszentrums. Die Begegnung zwischen den Generationen ist damit in Stattegg sichtbar nicht Routine, sondern Programm. Auch Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer zeigte sich zuletzt beeindruckt, wie diese Gemeinde sich aktiv dieser Aufgabe stellt.
Stattegg, das war gewissermaßen eine Landesstraße, auf der unter der Woche die Bewohner der Bauernhöfe und Einfamilienhäuser zur Arbeit in Graz pendelten und die am Wochenende Grazer Bürger auf dem Weg zum Wandervergnügen frequentierten. Die Altvorderen lebten in den Stattegger Familien und sahen ungewollt zu, wie die Gemeindestrukturen ausgedünnt und immer armseliger wurden. Um zum Arzt, zum Friseur, zum Kaufmann, zur Pfarre oder zu einem Café zu kommen, musste man nach Graz. Oder man ließ es bleiben.
Dieser Zustand war nicht haltbar, weil die Nähe zu Graz und die Vorzüge der Natur junge Leute aus der Stadt wie ein Magnet anzog. Aber wer zieht schon ins Grüne nahe Graz, wenn es dort nichts gibt, nicht einmal ein Gemeindezentrum? Bürgermeister Klaus Zimmermann lobt seine Vorgänger im Gemeindeamt, dass sie die Problematik erkannten und aktiv wurden. Es entstand nicht nur ein neuer Dorfplatz mit Gemeindeamt, Kindergarten, Kapelle, Arztpraxen und Café, es wurden nicht nur Wohnbauträger aktiv, sondern 2012 setzte die Gemeinde die Seniorenresidenz mitten ins neue Ortszentrum. 16 mehr oder weniger betagte Stattegger haben nach den Regeln des Betreuten Wohnens ein neues Zuhause samt ständiger Betreuung und Freizeitgestaltung, umgesetzt von einer Tochter der gemeinnützigen Sozialorganisation Wiki, die im selben Haus die Kinderkrippe führt.
Die professionelle Betreuung ist nur ein Teil des Angebotes für die Senioren in Stattegg. Die Gemeinde integrierte in das Projekt bewusst auch vier Startwohnungen mit günstigen Bedingungen für junge Leute. Die tun im Gegenzug etwas für die Nachbarn im Betreuten Wohnen. Koordiniert von den Wiki-Betreuerinnen gehen die Jungen für die Älteren einkaufen, lesen ihnen vor oder verbringen Teile der Freizeit mit ihnen. Im Gegenzug profitieren die Jungen vom Wissen und der Erfahrung der Senioren etwa in Bereichen der Natur, so Harry Kühschweiger, der zuständige Wiki-Geschäftsführer. Das alles ist so gut von den Leiterinnen des Betreuten Wohnens koordiniert, wie es der Kontakt zwischen den Senioren und der Kinderkrippe im Haus ist. Da gibt es regelmäßig Begegnungen und Berührungen jeder Art.
„Die Begegnung zwischen den Generationen ist in Stattegg sichtbar nicht Routine, sondern Programm.“
Das Nebeneinander von mehreren Generationen fördert das gegenseitige Verständnis und ein aktives Zusammenleben. Das kann gegen die mögliche Vereinsamung im Alter wirken und allen Beteiligten neue Perspektiven eröffnen. Bürgermeister Zimmermann hat den Bewohnern sogar eine wichtige „Aufgabe“ übertragen. Wenn der mächtige Maibaum am Dorfplatz aufgestellt ist und so manche Burschen heimtückisch planen, ihn des Nachts umzusägen, um so die Gemeinde zu blamieren, hat Stattegg neuerdings eine „Geheimwaffe“. In den Nächten vor dem 1. Mai halten die Bewohner des Generationenhauses Ausschau, ob sich vor ihren Augen am Dorfplatz etwas Verdächtiges rund um den Maibaum tut. Diese „Maibaumwache“ der Senioren hat Stattegg bisher vor einer Blamage bewahrt.
Fotos: Erwin Scheriau, IST, shutterstock
Beitrag veröffentlicht am 26. August 2019.