Enkeltrick – Die Gefahr lauert im Wohnzimmer

Die neue, gefährliche Masche der Kriminellen: Sie verlegen den Tatort in die Wohnzimmer der Seniorinnen und Senioren. Die Tatwaffen sind Handy und Internet.

Die Corona-Pandemie hat die persönliche Sicherheit gerade der Seniorinnen und Senioren ganz massiv beeinflusst. Die Kriminellen haben sich nämlich rascher auf die neuen Gegebenheiten eingestellt als ihre Opfer, sagt Jeremy Stöhs, Geschäftsführer des Vereins „Sicher Leben“ in Graz, einer Sicherheitsplattform. In der Zeit der Lockdowns und der eingeschränkten Bewegungsfreiheit gab es spürbar weniger Einbrüche und die Zahl der Taten im Bereich des Taschen- und Trickdiebstahls hat sich fast halbiert. Gleichzeitig aber haben die Kriminellen am Handy und im Internet zugeschlagen. Die Zahl der angezeigten Straftaten stieg in diesem Bereich im Jahr 2020 um fast zwölf Prozent. Die ältere Generation ist leider auch im dunklen Hinterzimmer der großen weiten Welt der elektronischen Medien angekommen. Sie wird besonders häufig Opfer der Cyber-Kriminalität.

Der Enkeltrick

Die Täter haben neue Werkzeuge, wenden aber die alten Tricks an. So fallen gerade wieder besonders viele ältere Mitbürger auf den sogenannte Neffen- oder Enkeltrick herein und werden oft um hohe Geldbeträge erleichtert, muss Sicherheitsexperte Stöhs berichten. Da sagt eine Stimme am Telefon: „Hallo, Oma, kennst du mich nicht mehr? Ich habe schon lange nichts mehr von dir gehört“. Wenn ein Anruf so oder ähnlich beginnt, sollten bei der Oma die inneren Alarmglocken schrillen! Sie sind keine willkommene Abwechslung, sondern der Versuch, die Oma um ihr Geld zu erleichtern. Denn nach der freundlichen Begrüßung kommt die Enkelin oder Neffe schnell zur Sache und erzählt von einer dringenden Notlage. „Wenn ich nicht bis dann und dann Geld übergebe, werde ich verhaftet“. Oder: „Wenn ich nicht sofort die Universitätsgebühr bezahle, ist mein Studium in Gefahr, meine ganze Zukunft“.

Die Kriminellen appellieren geschickt an die Hilfsbereitschaft der älteren Generation. Man will doch nicht, dass der Enkel Zores mit der Polizei kriegt und nicht schuld daran sein, dass die studierende Nichte auf ganzer Linie scheitert. Auf diese Weise üben solche Anrufer großen Druck aus, mit dem gerade ältere Leute nicht mehr gut umgehen können. Es geht ihnen darum zu verhindern, dass der vermeintliche Onkel nachdenkt, sondern er soll instinktiv handeln und auf jede Vorsicht verzichten, warnt Stöhs, der Sicherheitsfragen auch aus einer internationalen Perspektive behandelt.

Die seriöse Masche

Eine andere üble Masche am Telefon, die auf Mitglieder der älteren Generation zielt, verbreitet sich ebenfalls stark, beobachtet die Polizei. Das sind harmlose oder seriös klingende angebliche Anrufe einer Bank oder Versicherung. „Gnädige Frau, wir haben auf Ihrem Konto eine Sicherheitslücke entdeckt und brauchen jetzt ganz schnell ihr Passwort oder den Bankomat-Code, um das zu reparieren“. Was so vertrauenerweckend klingt, ist ein besonders gefährlicher Betrugsversuch. Der Experte macht klar: Keine Bank, keine Versicherung und sonst keine seriöse Firma wird am Telefon nach einem Passwort fragen. Das tun nur Betrüger.

Die Polizei hat inzwischen herausgefunden, wie diese Kriminellen ihre Opfer unter den älteren Steirerinnen und Steirern aussuchen. Sie nehmen das gute alte Telefonbuch zur Hand und suchen nach Personen mit Vornahmen, die altmodisch klingen, wie Doris und Franziska oder Franz und Herbert. Ruft man eine Person mit so einem Vornamen an, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass es sich tatsächlich um eine Großmutter oder einen Onkel handelt. Die fallen in der Regel leichter auf diese Betrugsmasche herein als ein Kevin oder Julian oder eine Sabrina und eine Nadine. Ist der Kontakt einmal hergestellt, bemerken viele Opfer erst zu spät, dass sie gerissenen Kriminellen auf den Leim gehen.

Das Handy ist gewissermaßen auch der Tatort für eine weitere Art von Betrug. Da kommt eine SMS, dass ein Paket eingetroffen ist. Bei vielen Menschen wirkt der Überraschungseffekt, weil sie zunächst gar nicht daran denken, dass sie eigentlich gar nichts bestellt haben, Sie reagieren eher neugierig und verwirrt als misstrauisch. Die Textnachricht am Handy klingt doch ganz unverdächtig. Das Gefährliche ist aber, dass sie die betreffende Person auffordert, auf einen Link zu klicken, um Näheres über das angebliche Paket zu erfahren. Wenn man das tut, ist es oft schon zu spät. Durch den Klick wird den Betrügern der Zugang zum Handy und seinen Daten ermöglicht und sie können damit viel Unheil anrichten.

Die Masche der Cyber-Kriminalität, die sich gezielt an Seniorinnen und Senioren richtet, ist so gefährlich, weil sie gewissermaßen auf leisen Pfoten daherkommt, weiß Jeremy Stöhs. Er rät dringend zu mehr Aufmerksamkeit und Misstrauen auch im Umgang mit dem Handy. Dieses Segnung der modernen Technik, die gerade der älteren Generation auch in den schwierigen Corona-Zeiten auch so viel Gutes bringt, entwickelt sich leider auch zum bevorzugten Tatort der Kriminalität.

Infos für Ihre Sicherheit:

„Sicher leben“ ist eine Einrichtung, die sich seit 2013 der kommunalen Sicherheitsarbeit vor allem in Graz verschrieben hat.

In Gesprächen, Schulungen, Workshops und Online-Events sensibilisiert das Team um Geschäftsführer Dr. Jeremy Stöhs Interessierte für Sicherheitsthemen. Im Zentrum steht das Miteinander von Betroffenen und Fachleuten, um ein Klima zu schaffen, das Vorurteile ausräumt, Vertrauen schafft und Sicherheit für alle gewährleistet.

„Sicher Leben“ operiert an zwei Standorten in Graz:

Das Sicherheits-Informationszentrum Sinfo am Grazer Lendplatz (Keplerstraße 25, Tel. 0316 872 5777) neben der Berufsfeuerwehr ist werktags für alle Interessierten geöffnet und bietet Grundinformationen rund um das Thema Sicherheit wie Schutz vor Einbrüchen, Hilfe in Nachbarschaftskonflikten, Cyber-Kriminalität oder Katastrophenschutz an. Hier finden auch einschlägige Schulungen statt.

Im Weichenstellwerk der Holding Graz (Steyrergasse 114, Tel 0677 6241 9976) ist eine Sprach- und Lebensschule vorzugsweise für Mitbürgerinnen und Mitbürger mit Migrationshintergrund eingerichtet. Hier bauen Ehrenamtliche auch Vertrauen zur Polizei auf. „Sicher Leben“ fördert das sichere Miteinander auch durch eine eigene, sehr kreative und diverse Kunstschiene.

„Sicher Leben“ und das Sinfo bietet für alle Interessierten Schulungen in konkreten Sicherheitsbelangen an. Auskünfte und Anmeldungen:

0677 64 133 444 oder office@sicherlebengraz.at sowie
0316 872 5777 oder office@sinfo.at

 

Beitrag veröffentlicht am 09.05.2022