Glauben ist gut, Wissen ist besser! | Testament

Beim Testament können viele Fehler passieren. Die steirischen Notare klären über die häufigsten Irrtümer auf.

Das Erbvolumen in Österreich steigt laufend, laut Berechnungen der Wirtschaftsuniversität Wien von 12 Milliarden Euro im Jahr 2015 auf über 20 Milliarden im Jahr 2035. Doch das Thema Vererben ist nicht selten problembehaftet, viele – vor allem handgeschriebene – Testamente weisen Formfehler auf. Es empfiehlt sich ein Besuch beim Notar, um Fehler zu vermeiden. Hier finden Sie einen Leitfaden rund um das Thema Testament und Erben.

Irrtum 1: Es gibt keine Kinder, also erbt der Ehepartner alles

Leben die Eltern des Verstorbenen noch, so erhält der noch lebende Elternteil je ein Sechstel des Nachlasses. Sofern noch beide Elternteile leben, bekommt der Ehepartner somit nur zwei Drittel des Nach-
lasses! Vor Einführung des neuen Erbrechts im Jahr 2017 hätten, sofern die Eltern bereits verstorben sind, die Geschwister geerbt. Mit dem neuen Erbrecht steht Geschwistern diesfalls kein Erbteil mehr zu. 

Irrtum 2: Lebensgefährten erben auch

Lebensgefährten steht zwar seit dem neuen Erbrecht 2017 ein außerordentliches Erbrecht zu, erben können sie aber erst dann, wenn es keine gesetzlichen Erben – Ehegatten, Kinder, Eltern, Geschwister, Großeltern und sonstige erbberechtigte Verwandte – mehr gibt. In diesem Fäll hätte früher sogar noch alles der Staat erhalten. Wer mit dem verstorbenen Lebensgefährten drei Jahre in einem gemeinsamen Haushalt gelebt hat, darf nach dessen Tod nur ein Jahr in der Immobilie bleiben. Will man das alles nicht, sollte man unbedingt ein Testament errichten, in dem das Erbrecht des Lebensgefährten geregelt wird.

Irrtum 3: Ich kann meine Kinder jederzeit enterben

Enterben bedeutet, dass einem Pflichtteilsberechtigten sein Pflichtteilsanspruch entzogen wird. Dafür müssen aber schwerwiegende Enterbungsgründe vorliegen. Der Erblasser kann eine Person beispielsweise nur dann enterben, wenn die Person eine schwere Straftat gegenüber dem Erblasser begangen oder die ihm gegenüber bestehenden familienrechtlichen Pflichten gröblich vernachlässigt hat. 

Irrtum 4: Mit einer Schenkung zu Lebzeiten ist man alle Sorgen los

Wenn es nichts mehr zu erben gibt, weil ein Kind schon zu Lebzeiten die Eigentumswohnung und das zweite Kind nichts oder wertmäßig viel weniger bekommen hat, ist noch lange nicht alles erledigt, auch wenn das so geplant gewesen wäre. Zu Lebzeiten getätigte Schenkungen innerhalb des Familienkreises werden auf das Erbe oder auf den Pflichtteil angerechnet. Dem Kind, das nichts oder zu wenig erhalten hat, stünde hier zusätzlich noch ein Pflichtteil zu. Dies hätte nur durch den Abschluss eines Pflichtteilsverzichtvertrags zwischen dem „benachteiligten“ Kind und dem Geschenkgeber verhindert werden können. Dieser Vertrag muss jedenfalls in Notariatsaktform errichtet werden, um gültig zu sein.

Irrtum 5: Der Pflichtteil muss sofort ausgezahlt werden

Das war früher so. Seit 2017 ist es möglich, Pflichtteile in Raten zu zahlen, sie können auch bis zu fünf Jahre – mit gerichtlicher Genehmigung sogar bis zu zehn Jahre – gestundet werden. Diese Regelung soll den oder die Erben vor schwierigen Situationen und kurzfristigen finanziellen Engpässen bewahren. Zu beachten ist dabei allerdings, dass hier 4% Stundungszinsen pro Jahr anfallen würden. 

Irrtum 6: Es gilt immer das österreichische Erbrecht 

Bereits seit Sommer 2015 ist die EU-Erbrechtsverordnung in Kraft und demnach zählt nicht mehr die Staatsangehörigkeit des Erblassers, sondern das Aufenthaltsprinzip. Der letzte gewöhnliche Aufenthaltsort eines österreichischen Staatsbürgers entscheidet, welches Recht anwendbar und welches Gericht zuständig ist. War der Lebensmittelpunkt im Ausland, muss die Verlassenschaft nach dem dort geltenden Recht abgehandelt werden. Will man das verhindern, sollte man in seinem Testament eine entsprechende Verfügung treffen, wonach jedenfalls österreichisches Erbrecht zur Anwendung kommen soll.

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Beitrag veröffentlicht am 7. Juli 2020
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