Christine Brunnsteiner hat vor zehn Jahren in Eisenerz den Verein „Wir für uns“ gegründet. Den Entschluss fasste sie noch während ihrer Zeit als ORF-Moderatorin, wo sie mitbekam, wie viele ältere Menschen einsam sind und Hilfe brauchen.
Schöner könnte der Wintertag nicht sein. Strahlend blauer Himmel, ein bisschen Schnee, der daran erinnert, wie es zu dieser Jahreszeit eigentlich sein sollte, und mittendrin das altmodische Eisenerz mit seinen bemalten Häusern. Von seiner Beschaulichkeit steht es dem überlaufenen Hallstatt um nichts nach, doch hierher verirren sich nur wenige Touristen. Die Jungen wandern ab, mit einem Durchschnittsalter von 54,6 Jahren ist Eisenerz die älteste Stadt in Österreich. Und schon wenig Schnee wird für viele ältere Bewohner zur Hürde, wenn Lebensmittel ausgehen und man erst einmal den steilen Berg zum Kaufhaus überwinden muss. Dafür gibt es den Verein „Wir für uns“ der gebürtigen Eisenerzerin Christine Brunnsteiner, der etwa zwei Mal die Woche Fahrtendienste absolviert, einmal wöchentlich Wäsche zur Putzerei nach Trofaiach bringt und Zusammentreffen organisiert, Kartenspielen oder Singen, Letzteres einmal im Monat am Donnerstagnachmittag.
„Treffen wir uns zum Interview, bevor die Damen zum Singen kommen“, schlägt Christine Brunnsteiner vor. Fast zwei Stunden vor Beginn der Singstunde sind wir vor Ort, verplaudern uns und sind noch beim Fotografieren, als die ersten Seniorinnen eintreffen. Frau Brunnsteiner springt auf, begrüßt jede der 14 Sängerinnen persönlich, erkundigt sich nach dem Wohlbefinden. Es wird Kaffee und Kuchen serviert, die Damen plaudern und schauen Frau Brunnsteiner recht amüsiert beim Fotografiertwerden zu. Die wiederum erzählt eine lustige Anekdote über die erste Begegnung mit den beiden ältesten der anwesenden Damen, die einst während ihres Kuraufenthalts in Bad Radkersburg im Publikum einer Lesung Brunnsteiners saßen und davon gar nichts mitbekamen. Sie waren von den Anwendungen recht müde eingeschlafen.
Auf die Idee der Vereinsgründung kam Brunnsteiner vor über zehn Jahren, als sie für den ORF immer donnerstags eine Radiosendung moderiert hatte, in der Menschen anrufen konnten. Immer wieder hätten Anruferinnen und Anrufer über den Segen der Nachbarschaftshilfe berichtet oder über Einsamkeit geklagt. Es brauche einen Verein, der die Bedürfnisse der Senioren mit den Angeboten für Senioren verbinden müsse, beschloss sie. Vom damaligen Landeshauptmann Franz Voves bekam sie die finanziellen Mittel zur Vereinsgründung. Schon beim ersten Treffen mit den Eisenerzer Bürgern zeigte sich eine tiefe Unzufriedenheit, zu wenig geschaut werde auf den Ort, wurde beklagt. Brunnsteiners Vorschlag war so pragmatisch wie gut: „Dann gehen wir halt gemeinsam putzen!“ Gesagt, getan. Es wurde aufgeräumt und der Busbahnhof bekam einen neuen Anstrich. Auch für das Ortsbild könne mehr getan werden, waren sich die Einwohner einig. Eine Eisenerzerin sah bei einem Kuraufenthalt mit Blumen geschmückte, alte Fahrräder, „das können wir ja auch machen!“, schlug Frau Brunnsteiner vor. 20 Blumenradln verschönern nun jeden Sommer das Eisenerzer Stadtbild, im Winter stehen in den Auslagen der Stadt Weihnachtskrippen. Auch wenn die finanziellen Mittel nicht mehr so gegeben sind – Vorträge oder Veranstaltungen könne man nur mit Freiwilligeneinsatz organisieren – ist ihr Verein ein wichtiger Beitrag im Eisenerzer Alltag, sei es für Botendienste, aber auch, wenn es beim Ausfüllen von Formularen Hilfe braucht.
Vieles rund um das Älterwerden müsse stärker thematisiert werden, auch unbequeme Aspekte, sagt die frühere ORF-Moderatorin, wie die Frage, ab wann ein älterer Mensch nicht mehr alleine wohnen kann. Oder was Testament oder Vorsorgevollmacht betrifft, das viele vor sich herschieben. „Das muss ich erledigen, damit ich in Ruhe sein und auch in Ruhe gehen kann“, sagt Christine Brunnsteiner. Das schmeckt freilich nicht jedem und jeder. Die frühere ORF-Moderatorin lässt sich dennoch nicht davon abhalten, über unbequeme Themen zu reden, auch über Suizid oder Hilfe dazu. Sie animiert auch Menschen, über ihre Probleme zu reden, etwa wie der Alltag mit einem dementen Partner aussieht. Noch mehr Austausch und Miteinander wäre eine Vision Brunnsteiners, auch was das Thema Wohnen betrifft. Die wenigsten Senioren wollen in ein Heim, wenn alleine nichts mehr geht. Auf die Frage, wie sehr sich die Öffentliche Hand mit diesen Fragen auseinandersetzt, wird Brunnsteiner ruhig. „Mit dem Thema geht es mir nicht gut“, antwortet sie diplomatisch. „Von der Politik würde ich mir wünschen, Lösungen zu finden, wie man gut alt werden kann“, sagt sie, so gehöre die 24-Stunden-Pflege gefördert, die sich viele Menschen nicht leisten können und die sie in Heime zwinge.
Für ihr soziales Engagement hat die 66-Jährige 2009 das Große Ehrenzeichen des Landes Steiermark erhalten. Im Laufe der letzten zehn Jahre habe das Thema Lebenslanges Lernen für sie eine neue Bedeutung erhalten, berichtet Brunnsteiner: „Es geht nicht darum, dass ich im Alter noch auf die Uni gehe, sondern dass ich mit den Möglichkeiten, die ich im Alter habe, gut zurande komme“. Ihre Vorsorgevollmacht hat sie bereits unterzeichnet, ihr Testament aber noch nicht gemacht, „weil ich mir selbst nicht ganz sicher bin. Vielleicht fahre ich ja noch auf Weltreise“, sagt sie und lacht.