Das Regieren wurde ihm bisher verwehrt, außer in seinem Gartenparadies Highgrove. Dort ist Prinz Charles König, dort hat er das Gärtnern neu erfunden. Karl Ploberger drehte über die Leidenschaft Seiner Königlichen Hoheit kürzlich eine Dokumentation, für die er jahrelang auf eine Genehmigung warten musste. Wir spazieren einfach so hinein, an der Seite von ORF-Biogärtnerin Angelika Ertl.
Nein, in London waren wir nicht dabei, als mit großem Pomp das 70. Thronjubiläum von Königin Elisabeth II. gefeiert wurde. Wir besichtigten stattdessen mit der Gartenexpertin Angelika Ertl das Anwesen Highgrove, in dem Prince Charles, der ewige Thronfolger, die Welt ein bisschen besser macht. Das mit dem Hineinspazieren ist wohlgemerkt etwas flapsig ausgedrückt, selbstverständlich müssen auch wir uns an das Fotografierverbot halten und den Anweisungen der Sicherheitskräfte folgen. Die übrigens auch für das Wohlergehen der Kleintiere auf dem Anwesen sorgen: So wurden einmal einer Entenfamilie, die an einem entlegenen Ende des Gutes gebrütet hatte und mit ihrem Nachwuchs stets eine Straße außerhalb des Geländes queren musste, auf Geheiß des Prinzen kurzerhand Bobbys für den Straßenübertritt zur Seite gestellt.
Einen Garten mit Haus, please
Prinz Charles wollte schon immer einen Garten mit Haus – und nicht umgekehrt –, gefunden wurde dieser in Cloucestershire in den Cotswolds, zweieinhalb Autostunden von London entfernt. Highgrove erwarb Anfang der Achtzigerjahre übrigens nicht die königliche Familie, sondern das Herzogtum Cornwall für – aus heutigem Blickwinkel gesehen – ein Schnäppchen von kolportierten 800.000 Pfund, Prinz Charles, der Herzog von Cornwall und Prinz von Wales, wurde als Pächter ernannt. Das Haus war beim Kauf von „einem Nichts“ umgeben, wie der Prinz selbst sagt – außer einer alten Eibenhecke und der 200 Jahre alten Zeder vor dem Gebäude, die das Herz des 73-jährigen Thronfolgers letztlich eroberte. Als erste Maßnahmen ließ er am Haus Balustraden und Säulen als Kletterhilfe für Pflanzen anbringen, die ihren Duft bis hinauf in die Königlichen Räume bringen sollten. Die Leidenschaft für die Gärtnerei hat Prinz Charles von seiner Großmutter geerbt, deren Gartenutensilien er zu ihrem Andenken aufgehoben hat. Den Garten von Highgrove zieren zudem Büsten jener Menschen, die für den Prinzen Inspiration und Ideengeber waren. Sein Garten, so schreibt er im Vorwort seines Buches „Highgrove – ein Jahr im Königlichen Garten“, sei ein bescheidener Versuch, zur Heilung von Schäden beizutragen, die durch kurzsichtiges Handeln dem Boden, der Landschaft und letztlich unseren Seelen zugefügt wurden. Ihn hat er wie ein Maler gestaltet, jeder Teil ist ein separates Bild: Der Thyme Walk etwa mit verschiedensten Thymiansorten und den künstlerisch zurechtgestutzten Eiben-Figuren, und der „Stumpery“, in dem wilder Farn und sattes Grün über alten Wurzeln wuchern. Vor dem Haus finden sich Felder von Rittersporn, der Lieblingsblume des Prinzen. Die Kunst bei der Gestaltung bestehe für ihn zur Hälfte darin, dafür zu sorgen, dass der Garten beim Blick aus dem Fenster auch in den Wintermonaten reizvoll sei. Was ist für Angelika Ertl das Besondere an der Anlage? „Prinz Charles lässt seinen Garten mehr und mehr verwildern, penible Genauigkeit gibt es nur in wenigen formalen Gartenzimmern. Sonst wird der Garten lebendiger und auch wilder.“ Prinzessin Diana hielt übrigens nicht sehr viel von der Gartenleidenschaft ihres Mannes. Sie fuhr lieber ins benachbarte Städtchen Tetbury und ging dort einkaufen.
Als der Prinz „Bio“ hoffähig machte
In den 1980ern, als sich der fein- und kunstsinnige Prinz, der in seiner Freizeit gern malt, entschlossen hatte, sein Anwesen nach den Kriterien der biologischen Landwirtschaft zu betreiben, fand in Österreich gerade der Weinskandal statt und weltweit wurden in der Landwirtschaft unbedacht giftige Chemikalien eingesetzt. Dennoch hielt man von „Bio“ nicht viel, das war für Spinner. Auch in Großbritannien wusste man zunächst nicht recht, was man von der „spinnerten“ Idee des Prinzen halten sollte. Er schickte Sekretäre nach Deutschland zu Hardy Vogtmann, dem damaligen Pionier für biologische Landwirtschaft, um sich Beispiele zu holen, damit der Prinz seine Familie, die von der Bio-Idee rein gar nichts hielt, überzeugen konnte. Er bekam 60 Hektar Land „zum Probieren“ und fand mit David Wilson als Gutsleiter den kongenialen Partner, wie die Dokumentation „Der Bauer und sein Prinz“ zeigt. Wilson kam frisch von der Landwirtschaftsschule, wo ihm vor allem beigebracht wurde, welche Chemikalien er in welchen Situationen einsetzen sollte, wie er erzählt. Als er beim Bewerbungsgespräch mit der Frage konfrontiert wurde, ob er sich unter „biologischer Landwirtschaft“ etwas vorstellen könne, verneinte er und sagte Ja zum Job. Die Reise hin zu einer alternativen Art der Lebensmittelproduktion gefiel dem Vater von zwei kleinen Kindern. Mittlerweile ist man sich einig: Des Prinzen „verrückte“ Idee war eine vernünftige in einer verrückten Welt.
Einsatz für eine gesunde Zukunft
Heute ist das Landgut Highgrove mit insgesamt 760 Hektar – 311 waren es vor 30 Jahren, mittlerweile bewirtschaftet man auch den Boden von Nachbarn – ein landwirtschaftlicher Vorzeigebetrieb, in dem sich viele Bauern Rat für neue Wege holen. Es werden alte Schaf- und Schweinerassen vor dem Aussterben bewahrt, tausend Apfelbäume, jeder eine eigene Sorte, wurden gepflanzt. Die Milchkühe haben nichts mit den Turboleisterinnen in der konventionellen Landwirtschaft gemein, im Gegenteil, sie finden reichlich Platz in einem modernen Stall, wo ihnen ein längeres Leben gestattet ist. Artenschutz, Biodiversität sowie der Erhalt traditioneller Pflanzmethoden und Handwerksberufe stehen im Landgut des Prinzen an erster Stelle, und bei allem wird einen Schritt weitergedacht, um die Natur zu erhalten und die Menschen mit gesunden Lebensmitteln zu versorgen. So ist es Prinz Charles zu verdanken, dass im nahezu baumlosen Großbritannien die Heckenkultur wieder etabliert wurde. Damit
steigt nicht nur der Grundwasserspiegel, Hecken verhindern Bodenerosionen durch Wind und bieten zudem Platz für viele Wildtiere. Den
Schnitt der Eibenhecken aus seinem Garten lässt er an ein nahegelegenes Forschungsinstitut liefern, das Öl hemmt das Tumorwachstum. Als
Grund für seinen ökologischen Einsatz nennt der Prinz die vielen umweltschädigenden Maßnahmen ab den 1960ern, als Gebiete weitgehend mit Chemie behandelt wurden, man Bäume entwurzelt hat und Feuchtgebiete trockengelegt, Hecken entfernt und Wiesen zerstört. Prinz Charles sagt dazu: „Wir müssen einsehen, dass wir selbst auch Teil der Natur sind und nicht separat existieren. Viele aber sind in diesem Glauben aufgewachsen.“ Nachsatz mit einem Verweis auf EU-Fördermaßnahmen, die keinesfalls auf Nachhaltigkeit abzielen: Solange wir die billigsten Lebensmittel wollen, wird die Landwirtschaft, die auf Produktionssteigerung und maximale Erträge ausgerichtet ist, bestehen bleiben.
Es braucht auch im Garten Humor
Der Magnet von Highgrove ist freilich der Garten Seiner Hoheit, den jedes Jahr rund 40.000 Gartenfans
besuchen. Weilt der Prinz dort, wird das durch eine gehisste Flagge signalisiert, zwischendurch kommt er immer wieder auf den Balkon, um seinen Gästen zuzuwinken. Es kann auch vorkommen, dass eine geplante Gartentour kurzfristig abgesagt wird, weil Prinz Charles mit seiner Camilla ein Wochenende in Abgeschiedenheit verbringen will, sagt die ORF Biogärtnerin Angelika Ertl. In ihren Gartenreisen ist Highgrove Garden ein regelmäßig wiederkehrender Programmpunkt, sie selbst wird dort wie eine alte Bekannte begrüßt. Bei ihrem letzten Besuch wurde sie allerdings stutzig, denn die Führung durch den wunderschönen Garten startete nicht wie üblich, man betrat diesen über einen anderen Pfad. Der Grund: Auf dem Weg, den man sonst gegangen ist, steht eine Büste von Prince Charles, ein Geschenk, über die der Thronfolger gar nicht „amused“ ist. Und diesen Anblick will man auch den Gästen ersparen. Eine Büste, die Prince Charles mit seiner
Camilla zeigt, hat man überhaupt im Wald versteckt. Genau das macht die Briten so unverbesserlich: charmante Diplomatie, stets mit einer guten Prise Humor, die auch dem Kronprinzen nachgesagt wird. Humor findet sich ebenso in seinem Garten, erzählt Angelika Ertl. So ließ der Prinz die etwas verknöcherte Eibenhecke im Thyme Walk von seinen Gärtnern eigenwillig umgestalten: Jeder seiner Gärtner durfte sich mit einem Gegenstand verewigen. So wächst da eine Schnecke aus der Hecke und dort eine Teekanne. Es wird übrigens gemunkelt, dass
sich der Prinz auf eine baldige Thronnachfolge einstellt, seine Mutter, Queen Elizabeth II., feierte immerhin im April ihren 96. Geburtstag. Auf Highgrove bereitet man sich schon jetzt darauf vor, dass der Prinz in Zukunft viel weniger Zeit dort verbringen wird. Sein Garten und sein Landgut stehen Besuchern unverändert offen, Tee oder Prosecco wird nach der Gartentour weiterhin serviert werden. Cheers!
Britische Gartenleidenschaft
Die Briten und die Franzosen sind sich bekanntlich nicht sehr „grün“. So ist der britische Garten in gewisser Weise ein Gegenentwurf zum französischen. Sonnenkönig Ludwig XIV. war bekannt dafür, sich die Natur untertan gemacht zu haben. Sein Garten in Versailles, ein „Angebergarten“, wie Angelika Ertl sagt, sollte perfekt sein und auf den Tisch bringen, was er für sein feudales Leben haben wollte. In England derweil wurde das gegenteilige Motto ausgerufen: Man solle der Natur wieder folgen. Wobei auch dort ein bisschen Angeberei sein musste: Unter Königin Viktoria bereisten „Plant Hunter“, so genannte Pflanzenjäger, die Welt, um von überall Pflanzen, Früchte und Kräuter mitzubringen. Das beeinflusste auch die Architektur, denn es brauchte Pflanzhäuser, um diese neuen Errungenschaften präsentieren zu können. Die Landschaftsplaner hatten damals alle Hände voll zu tun. Ein schöner Garten ist in England noch heute Statussymbol. Einen wichtigen Beitrag zur Erhaltung dieses Erbes leistet der National Trust. Er wurde gegründet, nachdem sich viele Erben ihre Anwesen nicht mehr leisten konnten, weil sie die Hälfte des Wertes als Erbschaftssteuer abzuführen hatten. Der National Trust ist heute der größte Land-, Küsten-, Pub-, Mühlen- und Gartenbesitzer in Großbritannien. Die Königsfamilie unterstützt diesen Trust seit jeher.