Ihn kann so schnell nichts aus der Bahn werfen. Dieses Motto hat sich Eberhard Forcher zu Herzen genommen, als er beim ORF das Pensionsalter erreichte. Nach einer erfolgreichen Karriere, zuletzt mit der Oldie-Sendung „Solid Gold“, startet er einfach neu durch. Jetzt wirft er jeden Samstagabend für zwei Stunden die „Zeitmaschine“ an und entführt die Regionalradiohörer Salzburgs und der Steiermark in die gute alte Zeit der populären Musik – also ins 20. Jahrhundert. Der langjährige Musikexperte des Nationalsenders macht weiter einen Vollzeitjob: „Mein ganzer Tag ist mit Musik ausgefüllt.“ Er ist Scout für den Song Contest, prägt eine einschlägige Sendung für das Wiener Privatradio Superfly und ist in der Branche ein gefragter Produzent.
Was nach viel Arbeit aussieht, ist es auch. Das Arbeitsleid von Menschen wie dem gebürtigen Osttiroler wird allerdings stark gemildert durch den Umstand, dass die Musik sein Leben und seine Freude ist. Während andere 65-Jährige nach ihrem Berufsleben froh sind, dass sie endlich das machen können, was sie schon immer wollten, machte und macht Eberhard Forcher seit jeher das, was ihm gefällt, nämlich coole Musik. Er begreift, dass das ein durchaus unerhörtes Privileg ist. Ein Privileg ist auch sein Werdegang ab den Siebzigerjahren mit den Möglichkeiten, die heute fast unwirklich erscheinen. Als junger Gymnasiast in Lienz hat er sich nach der Schule in seinem Zimmer eingesperrt und den Rest des Tages Platten gehört, anfangs vorzugsweise die Beatles. Der junge Eberhard Forcher konnte nicht wirklich singen und erlernte kein Instrument, aber er liebte die Musik, er hatte schon damals ein flottes Mundwerk und die Gabe, musikalisch und menschlich wie ein bunter Hund zu schillern.
Der erlernte Beruf als Lehrer war für Eberhard Forchers Lebenstraum zu nüchtern, er kündigte – ganz bunter Hund – am Tag seiner Pragmatisierung und ging für ein Jahr nach Amerika. Zurück kam er mit dem Plan, die Musik zum Lebensinhalt und zum Beruf zu machen. Er gründete in Wien eine Band, die so oft für Konzerte gebucht wurde wie keine andere. Mit der Rockband „Tom Pettings Hertzattacken“ traf er den Nerv der Achtzigerjahre und hatte mit dem Song „Bis zum Himalaya“ 1983 einen österreichischen Tophit.
Menschen wie er, die auch noch eine markante Stimme haben, landen in der kleinen Alpenrepublik fast zwangsweise beim großen Auffangbecken für künstlerische Talente, beim ORF. Beim Nationalsender prägte Forcher fast 40 Jahre lang den Sound der Popmusik und reifte zum Urgestein des Radios heran. Seine Musikauswahl kennt keine Grenzen, ist aber doch stark von seiner musikalischen Sozialisation geprägt. Noch immer ist die Jugendliebe zu den Beatles in ihm wach, lebt die Erinnerung an die Zeit, als jeder Jugendliche fiebernd auf jede neue Single der Fabulous Four wartete. Noch immer ist das Album „Revolver“ mit Songs wie „Eleanor Rigby“ oder „Yellow Submarine“ für ihn das größte – vielleicht gemeinsam mit dem weißen Album („Helter Skelter“, „Ob-La-Di, Ob-La-Da“). Und noch immer ist der Schock vom Frühjahr 1969 lebendig, als der 15-Jährige vom Ende des gemeinsamen Weges der Beatles erfuhr.
Ausgehend von den musikalischen Prägungen der Jugend erarbeitete sich Eberhard Forcher einen Musikgeschmack, der bei den Radiohörern ankommt. Er nennt ihn „klassisch, soulig und jazzig“. Für ihn gibt es jeden Tag etwas Neues und es hält ihn jung, wenn er nach vielen Jahren auf einen Song stößt, der zu Unrecht so gut wie verschollen war. Dann sorgt er dafür, dass er wiederentdeckt und für’s Radio gleichsam wiederbelebt wird. „Jeder Tag bringt solche kleinen Freuden und das erhält mich jung.“ Bei aller Begeisterung ist dem Profi klar, dass auch in der Musikbranche der Geschmack des Publikums entscheidend ist. Die Expertise der Fachleute ist eine Richtschnur, aber die Senderchefs möchten eine möglichst große Zahl an Hörern an die Sender binden. Das prägt die fast schon uralte Auseinandersetzung, wie viel zeitgenössische Musik österreichischer Künstler bringen soll. Eberhard Forcher sagt, er habe immer die Österreicher forciert.
Wenn ein Sendungsmacher aber spürt, dass ein Song aus Österreich beim Publikum nicht so ankommt wie erhofft, dann sind ihm die Hände gebunden. Insgesamt glaubt er, dass der ORF deutlich mehr heimische Musik bringen könnte. „Es gibt so grandiose Musiker in Österreich, da ist mehr drin.“ Ausdrücklich lobt er die Landesstudios, die ganz bewusst Akzente mit österreichischen Künstlern setzen.
Das sei gerade seit dem Ausbruch der Corona-Krise enorm wichtig, macht sich Eberhard Forcher geradezu zum Anwalt der heimischen Musikszene. Durch die Regeln zum Abstandhalten gibt es keine Live-Konzerte mehr und die Musiker verlieren ihre wichtigste Einnahmequelle. „Denen bricht alles weg.“ Einnahmen aus dem Verkauf von Tonträgern gibt es heutzutage praktisch keine mehr, jetzt falle nach den Einnahmen aus den Auftritten auch noch das Geld weg, das von der Verwertungsgesellschaft AKM kommt. Gibt es keine Konzerte, kann die auch nicht Tantiemen von den Veranstaltern einheben und an die Künstler weitereichen. Insider Forcher ist geradezu alarmiert über die Lage, die er als „lebensbedrohend“ bezeichnet.
Er hält die Maßnahmen der österreichischen Regierung gegen die Verbreitung des Virus zwar für gut und richtig, ist aber enttäuscht, was die Reihenfolge der Lockerungen betrifft. Die Kultur sei auf der Liste, für welche Lebensbereiche die Maßnahmen gelockert werden, ganz unten gestanden. Das sei beschämend gewesen und eines Landes nicht würdig, das sich als Kulturnation definiert. Musikmann Forcher hat auch einen Vorschlag parat, wie die Republik dieses Versäumnis wenigstens zum Teil wiedergutmachen kann: Der Staatssender ORF sollte auf allen Kanälen gerade jetzt vermehrt auf österreichische Künstler setzen.
Bestellen Sie sich HIER unser aktuelles Magazin bequem nach Hause!