Barbara Frischmuth spricht mit Abenteuer Alter über ihr Ausseer Dirndl, ihren Feminismus und die Gefahr des Klimawandels.
Die gefeierte Schriftstellerin lebt und arbeitet in ihrem Haus hoch oben über Altaussee und ist durchaus froh, dass sie nicht alles mitbekommt, was „unten“ im Ort passiert. Zum Beispiel die Folgen der Bauwut im Ausseerland und im ganzen Salzkammergut, die sie stören und verärgern. Aber auch in ihrem großen Garten erkennt die Schriftstellerin Veränderungen, die sie herausfordern und die auf verblüffende Weise den Ereignissen unserer Tage ähneln. „Auch Pflanzen haben ihre Reviere und überwuchern die anderen“, beobachtet sie bei der täglichen Arbeit. Im Mai, als Barbara Frischmuth mit Abenteuer Alter telefonierte, musste sie feststellen, dass im harten Winter manche ihrer Pflanzen erfroren sind, konnte aber auch die Pracht ihrer Pfingstrosen genießen.
Die 81-Jährige kennt wie wenige sowohl das Leben in der Stadt als auch auf dem Land, in ihrem Heimatort. Ganz schnörkellos sagt sie „Altaussee ist sehr schön“. Sie kann das trennen vom Umstand, dass es hier ein Klima gibt, das ihre Pflanzen erfrieren lässt, und davon, dass sie den Flächenfraß durch die Untaten der Bauwütigen für ein ernstes Problem hält. Sie akzeptiert einige der Villen der Großbürger aus Wien oder München, wird aber energisch beim Gedanken, dass Manche aus Spekulationsgründen zwei oder drei Wohnungen horten und die Preise für Immobilien in schwindelnde Höhen treiben: „Man muss einmal Stopp sagen!“ Die äußerst erfolgreiche Autorin Barbara Frischmuh missgönnt niemandem das Erreichte, vermisst aber Grenzziehungen. „Wenn es hier zu wenig Wiesen und Umwelt gibt, wird auch Altaussee seinen Charme verlieren. Dann kann man gleich nach Kitzbühel fahren.“ Sie kennt schon Leute, die sagen, dass sie nicht mehr kommen, weil es nicht mehr das Altaussee ist, das sie lieben. „Die Ruhe, die wunderschöne Landschaft, die Natur – das hört sich alles auf.“
Das ist nicht Verbitterung, sondern derselbe Realismus, der aus ihr spricht, wenn die Touristen im Ort in Tracht und Dirndl aufmarschieren. Sie anerkennt die Kleidsamkeit des Dirndls: „Den meisten Freuen passte es“. In ihrem Schrank hängen „drei oder vier Dirndln, die ich schon ewig habe“. Das spricht wohl auch dafür, dass sie ihre Figur über die Jahre behalten hat. Sie trägt ein Dirndl nur im Salzkammergut und höchstens dann, „wenn es ein Fest gibt, wo man es halt anzieht“. So würden es alle Einheimischen halten. Offenbar tragen die Ortsfremden viel öfter Tracht als die Ausseer es tun. „Denen macht es Spaß und sie glauben dann, dass sie eher Kontakt zu den Einheimischen finden. Und für die Einheimischen ist es eine Einkommensquelle.“
Manche ihrer Beobachtungen und Empfindungen klingen lakonisch und andere wiegen schwer. Etwa, wenn Barbara Frischmuth sich intensiv mit den Themen des Lebens auseinandersetzt. Ihre Naturverbundenheit ist kein Gefühl, sondern geradezu wissenschaftlich fundiert und kommt in ihren jüngsten Büchern zu Ausdruck: „Dein Schatten tanzt in der Küche“ und „Natur und die Versuche, ihr mit Sprache beizukommen“. Deshalb hat sie mehr als nur Sympathie für die Fridays for future-Bewegung. „Die Natur rächt sich zu Recht. Da kommt etwas auf uns zu, was die meisten noch immer nicht ernst nehmen und das die nächste Generationen ausbaden müssen“, sagt sie. Das ist nicht Selbstanklage, sondern Analyse.
Sie gehört einer Generation an, „die ein fantastisches Leben hatte, weil es keinen Krieg gab“ und weil die Gesellschaft „auf die erste Nachkriegsjugend geradezu gewartet hat.“ Die positive Erfahrung, willkommen zu sein, begleitet sie ihr ganzes Leben und wappnen sie für alle Herausforderungen. Umso mehr macht ihr zu schaffen, dass sie neben der drohenden Klimakatastrophe und der Pandemie auch noch einen Krieg in Europa erleben muss. Also ob die Schäden durch den Klimawandel noch nicht bedrohlich genug wären, „kommt da noch diese Zerstörung durch die Menschen dazu“. Als Schriftstellerin will Barbara Frischmuth nicht behände gleich ein Buch über dieses neue Thema schreiben, das hat sie auch in Bezug auf die Pandemie vermieden. So etwas braucht „eine längere Zeit und einen gewissen Abstand“. Zum Beispiel sagt sie über das 2019 erschienene Buch „Verschüttete Milch“, sie habe es „schon 40 Jahre lang schreiben wollen“.
Durch all die Jahre und all die Bücher, Aufsätze und Vorträge zieht sich ein leidenschaftliches Bekenntnis zum Frau-Sein und zum fundierten Feminismus.
Das beginnt mit der Erfahrung zuhause, weil sowohl ihre Großmutter als auch ihre Mutter nach dem Tod des Mannes „ihren Mann stehen“ mussten, die eine in einer Fleischhauerei, die andere in einem Hotel. Man darf sich auch Barbara Frischmuth nicht als Stern vorstellen, der ohne sein Zutun von einer Sonne bestrahlt wird, sondern als eine zielstrebige berufstätige Frau. Die große Zahl von Büchern, die sie in mehr als 50 Jahren geschrieben hat, ist nicht vom Himmel gefallen, sondern Ergebnis disziplinierter Arbeit. Diese gelebte Selbstständigkeit gerade als Frau war in ihrer Generation die absolute Ausnahme. Das sind andere Erfahrungen, als sie etwa Ingeborg Bachmann machte, von der demnächst ein Film erzählen wird, dass sie bei ihrem Lebenspartner Max Frisch auch so etwas wie Schutz gesucht habe. Die Altausseerin hat durchaus Verständnis für dieses Empfinden, sagt aber ohne Schnörkel „Ich habe immer versucht, mich selbst zu schützen.“