Mit einem „Ach was, ist ja nur eine Zahl!“ wischt Alfons Haider beiläufig die Tatsache weg, dass er heuer 65 Jahre wird. Der ewig Junggebliebene ist fit durch regelmäßigen Sport, Herumtollen mit seinen drei jungen Neffen und er ist nach wie vor erfolgreich im Job: „Mich erfüllt mein Beruf und die Tatsache, dass ich mich immer wieder verändern kann, wenn ich will.“
Als Moderator hat er jedenfalls seine Bühne gefunden, beim Opernball beispielsweise mit vielen Stars und Glamour. Seine fotogene Seite und seine Schlagfertigkeit haben ihm bei seiner Moderatorenkarriere stets geholfen, auch wenn dieses Standbein seiner Schauspielkarriere geschadet hat, wie er im Gespräch mit „Abenteuer Alter“ berichtet.
Anna, der König und Mörbisch
Doch es kommt ohnehin stets anders. Seit dem Vorjahr ist Alfons Haider Generalintendant der Mörbischer Seefestspiele und des Festivalsommers jOPERA, „das ist für mich Futter für den Kopf.“ Im Moment dreht sich alles um die Vorbereitungen für Mörbisch, wo er bereits 1975 als Statist im „Zigeunerbaron“ auf der Bühne gestanden ist. Heuer gilt es, die 3.600 Quadratmeter große Seebühne mit dem 27 Meter hohen Königspalast mit Gesang und Leben zu füllen. Kurz vor dem Gespräch mit „Abenteuer Alter“ telefonierte er noch mit der möglichen Zweitbesetzung für den König für das Stück „Der König und ich“, das heuer aufgeführt wird, 110 Darstellern, 50 kommen aus Asien. Die elf mitwirkenden Kinder hat Alfons Haider zum Teil selbst „gecastet“ und auf der Straße angesprochen. Das Stück nach einer wahren Begebenheit, das sich auch in Alfons Haiders Theater Biografie wiederkehrend findet, handelt von der britischen Witwe Anna Leonowens, die 1862 mit ihrem Sohn Louis an den Königshof von Siam kommt, wo König Mongkut mit starker Hand über Reich herrscht. Anna verliebt sich augenblicklich in die zahlreichen Kinder, die sie dort unterrichtet. Die Geschichte wurde mehrfach verfilmt, unter anderem mit Yul Brynner, sowie als Musical aufgeführt. So auch in Mörbisch. Haider brach dort mit der alten Tradition und ersetzt nun Operette durch das Musical, was „nicht unkritisch“ gewesen sei, doch junges Publikum locke man nicht mehr mit Operetten, betont der Intendant.
Moderator mit fünfeinhalb
Seine ersten Bühnenerfahrungen hatte Alfons Haider im Kindergarten, er spielte den König, den Weihnachtsmann, den Prinzen im Rotkäppchen. Als Moderator stand er im zarten Alter von fünfeinhalb Jahren auf der Bühne und führte durch die Muttertagsgala in einem von Nonnen geführten Kindergarten. Mit 17 Jahren zog es ihn in die weite Welt, an die Lee-Strasberg-Schauspielschule nach Los Angeles, wo er unter anderem von Charlton Heston unterrichtet wurde. Sein Schwerpunkt lag in der Fernseh- und Kameraausbildung, ein großer Vorteil für seine spätere Karriere als Fernsehmoderator, weil er dadurch jegliche Angst vor der Kamera verloren hat. Kein Lampenfieber also? „Nicht mehr, aber dafür habe ich mit zunehmendem Alter größeren Respekt vor den Shows und den Menschen bekommen, mit denen ich dort arbeiten darf.“ Nachsatz: „Lampenfieber hätte ich vielleicht, wenn ich den Papst interviewen müsste.“
Seine Zeit im damals noch recht gefährlichen Los Angeles („ich war recht tollpatschig, hatte aber zum Glück einen Schutzengel“) endete recht abrupt nach sechs Monaten, als Haiders Vater gestorben war. Seine Ausbildung setzte er am Konservatorium der Stadt Wien fort, den ersten Auftritt hatte er mit 20 als Statist in „Der Vogelhändler“ an der Volksoper. Auf die Lieblingsrolle befragt, nennt er ohne zu zögern die Rolle als Daniel Kaffee im Theaterstück „Eine Frage der Ehre“, das 1993 im Volkstheater in deutscher Sprache welturaufgeführt wurde und mit dem er zwischen 1994 bis 1997 auf Tour war. An der Josefstadt und am Volkstheater war er jeweils fünf Jahre engagiert, 1978 war er Teil der Tischgesellschaft beim „Jedermann“ in Salzburg. Von Maximilian Schell bekam er zu seinem 50. Geburtstag ein Buch mit der Widmung: „Dem Kollegen Alfons Haider, der mehr gehalten hat als versprochen.“
Obwohl die Liste seiner Theaterengagements lang ist, wollten ihn die Kulturkritiker nur als Moderator sehen, viele „Watschen“ in Kulturkolumnen habe er damals bekommen. Über eine Kritik muss er noch immer schmunzeln: Ein bekannter Kurier-Kritiker, der von seiner Frau überredet wurde, ins Stück „Eine Frage der Ehre“ zu gehen, verkündete in der Zeitung recht kleinlaut, dass „der Moderator“ entgegen allen Erwartungen dann doch ein prima Schauspiel geboten hat. „Als ich als Moderator Karriere gemacht habe, habe ich mir sämtliche Bühnenmöglichkeiten verdorben. Das ist für mich in Ordnung und macht mich auch nicht böse“, sagt Alfons Haider, wobei ein leicht schaler Geschmack schon übrig bleibt: In Österreich bleibe man an Klischees hängen, wer einmal als Komödiant bekannt sei, werde im ernsten Fach kaum Chancen haben. „Geschafft“ habe man es hierzulande erst, wenn man „auf der Burg“ sei. Alfons Haider schmunzelt. Er hat über 700 Mal seinen Daniel Kaffee gespielt, über 600 Mal den Kaiser Franz Joseph, „so lange das Publikum zufrieden ist und man selbst mit seiner Leistung, ist für mich alles in bester Ordnung.“
Die Jugend, das Gesicht und die Seele
Alles in allem ist Alfons Haider zufrieden mit seiner Karriere und seinem Leben, zu dem sich eine gewisse Altersweisheit gesellt hat. „In meinem Beruf gibt es viele Auf’s und Ab’s. Wenn ich so nachdenke und mich frage: Was ist, wenn ich nur mehr 15 Jahre habe?, finde ich es lächerlich, mich über gewisse Sachen zu sehr zu grämen. Das Leben ist ein Lernprozess, auch im Alter.“ Seine Jugendlichkeit verdankt er einem recht gesunden Leben und gutem Genmaterial: „Als ich 40 Jahre war, hat Hans Holt einmal zu mir gesagt: Alfons, du musst aufpassen, mit 50 kommt die Seele eines Menschen ins Gesicht. Das stimmt, wie ich finde.“ Er fügt schmunzelnd hinzu: „An guten Tagen schaue ich aus wie 40, an schlechten wie 65.“ Sein Elan wurde zuletzt durch eine heftige Corona Infektion gebremst, die ihn zehn Tage ans Bett fesselte. Besorgt war er in dieser Zeit vor allem um die bei ihm lebende Mutter. Jeder verblieb in seinem Zimmer, die Unterhaltung innerhalb der eigenen vier Wände fand telefonisch statt. Seine Mutter hat er vor wenigen Jahren zu sich geholt, sie ist 84 und schon etwas gebrechlich. „Wir sind seit 65 Jahren wohl die einzigen Menschen, die sich beim Frühstück noch etwas zu sagen haben“, sagt Alfons Haider.
Der politische Alfons Haider
Die Pandemie zeigte dem Schauspieler eine Seite, die ihn erstaunt bis traurig macht: „Es ist vielen einfach wurscht, wie es den alten Menschen geht. Aber bei der Wirtschaft heißt es: koste es, was es wolle.“ Ein bisschen ist der smarte Schauspieler dann auch Mahner, wenn es um Ungerechtigkeiten oder Unmenschlichkeit in der Politik geht. Selbst hat er 1997 öffentlich verkündet, homosexuell zu sein und viele Kommentare ausgelöst: Auf der einen Seite wurde er provoziert, er solle endlich öffentlich machen, was ohnehin jeder wisse, auf der anderen standen jene, die im Anschluss lautstark äußerten, wozu das nötig gewesen sei, es wisse ohnehin jeder über Haiders Homosexualität. Und dann gab es solche, die ihm vorwarfen, das Outing nur gemacht zu haben, um mehr Karten für seine Show verkaufen zu können. Es gab Drohungen gegen seine Familie und Freunde, seine Mutter wurde sogar tätlich angegriffen. Der damalige Landeshauptmann Erwin Pröll hat Haider und seiner Mutter sogar Unterschlupf angeboten, bis sich die Wellen geglättet haben.
In der damaligen Stimmung ließ er sich in der Satiresendung „Willkommen Österreich“ zu einem deftigen Zitat über das „verlogene, verschissene Österreich“ hinreißen, das Wogen der Empörung schlug. Ob er das heute noch einmal so sagen würde? „Wenn Not am Mann wäre, ja. Aber ich glaube, dass sich seither vieles verbessert hat in Bezug auf die Akzeptanz von homosexuellen Menschen. Ich bin vor allem der Meinung, dass jeder erst einmal vor seiner eigenen Tür kehren soll.“ Die FPÖ habe damals verlangt, dass man Haiders Pass abnehme, „das hat mich dann schon etwas stolz gemacht“, sagt Haider und schmunzelt. Er findet, dass sein Outing und das von Günter Tolar zuvor gesellschaftlich dann doch einiges bewegt haben. Er bekam sogar viel Applaus, als er 2011 mit Vadim Garbuzov bis ins Finale von „Dancing Stars“ tanzte. „Und was Österreich betrifft, muss ich sagen: Wir leben in einem der schönsten Länder der Welt. Trotz allem.“