Das Arbeitsmarktservice bereitet ein Einsteigerprogramm vor, damit Pflege und Betreuung eine attraktive berufliche Alternative für ältere Arbeitnehmer wird.
Für die kommenden zehn Jahre zeichnet sich ein „massives Problem“ für unsere alternde Gesellschaft ab, nämlich im Bereich der Pflege und Altenbetreuung. Das ist kein Alarmismus, sondern eine nüchterne Analyse, die Mag. Karl-Heinz Snobe, Landesgeschäftsführer des Arbeitsmarktservice (AMS) Steiermark, im Gespräch mit unserem Magazin anstellt. Die Generation der Babyboomer wächst in die ohnehin große Gruppe der Steirerinnen und Steirer hinein, die im Ruhestand sind. Sie gehen damit einerseits als Arbeitskräfte – auch in den Pflegeberufen – schrittweise verloren, anderseits müssen auch sie altersbedingt zunehmend Betreuung in Anspruch nehmen. Diese doppelte Spirale wird laut Snobe noch verschärft dadurch, dass Pflegeberufe ein Imageproblem haben. Sie seien „unattraktiv, physisch und psychisch belastend und schlecht bezahlt.“
Diese Umstände verdichten sich zum viel diskutierten Pflegenotstand. Das Arbeitsmarktservice arbeitet deshalb an Modellen, um das Problem beim Angebot an entsprechenden Arbeitskräften in den Griff zu bekommen. Dazu gehört zentral, diese Berufe auch für Unselbstständige, die älter sind als 50 Jahre, attraktiv zu machen, weil es schlicht nicht genug junge Einsteiger in die Betreuungsberufe gibt. Snobe hat eine Vision, dass es eine etwa einjährige Ausbildung älterer Personen in diesem Bereich gibt, dass diese neu gewonnenen Pfleger und Altenbetreuer für etwa fünf bis acht ein attraktives berufliches Umfeld vorfinden und dass sie anschließend auch eine „Exit-Option“ in Anspruch nehmen können, also einen Aus- oder Umstieg in den Arbeitsmarkt oder in die Pension. Der Experte fasst zusammen: „Auf das müssen wir setzen, sonst haben wir in den nächsten zehn Jahren ein massives Problem für unsere alternde Gesellschaft.“
Die unattraktive Bezahlung im Pflege- und Betreuungsbereich zu verbessern ist laut Snobe eine Sache der öffentlichen Hand, also im Grunde der Bürger und Steuerzahler. Es gehe hier gar nicht um exorbitante Gehaltserhöhungen, sondern um eine gerechte Abgeltung für Menschen, die einen sehr belastenden Beruf ausüben. Mit der Finanzierung wird sich die Politik beschäftigen müssen, wobei Snobe darauf hinweist, dass viele Staaten ähnliche Probleme haben und dass es manchenorts bereits interessante Modelle gebe.
Reformbedarf ortet der oberste steirische Arbeitsmarktexperte beim heimischen Modell der 24-Stunden-Betreuung. Dieses stoße an seine Grenzen, weil es für die Frauen, die vorwiegend aus Osteuropa kommen, immer weniger attraktiv wird. Auch dort ist das Lohnniveau angestiegen. Besonders hebt Snobe den Umstand hervor, dass das österreichische Modell den Frauen praktisch keine soziale Absicherung bietet. Kamen die Frauen in der 24-Stunden-Betreuung bisher aus den östlichen und südöstlichen Nachbarstaaten wie Slowakei, Ungarn oder Kroatien werden sie jetzt in immer entfernteren Herkunftsländern wie Bulgarien oder Moldawien gesucht. Snobe sieht hier natürliche Grenzen für dieses Modell. Wie stark die Nachfrage in den alternden europäischen Gesellschaften nach Seniorenbetreuung und Pflege ist, illustriert er am Beispiel Deutschland. Dort setzen die Sozialsysteme stark auf Pflegekräfte aus Ostasien.
Abgesehen vom Spezialfall der 24-Stunden-Hilfe trifft diese große Problematik der Altenbetreuung derzeit auf relativ günstige allgemeine Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt, auch für Arbeitnehmer über 50. 2018 ist die Zahl der Beschäftigten in dieser Altersgruppe in der Steiermark betrug rund 148.000 und war um stattliche vier Prozent höher als 2017. Der Anstieg war damit deutlich stärker als jener der Gesamtbeschäftigung. Insgesamt sind 28 Prozent der Unselbstständigen in der Steiermark älter als 50 Jahre und diese Tendenz wird sich fortsetzen. Snobe: „Die Steirer über 50 werden mehr und es bleiben auch mehr von ihnen im Berufsleben.“
Denn wegen der Pensionsreform 2012 steigt das Pensionsantrittsalter kontinuierlich an. Im Durchschnitt gehen Männer mit 61 Jahren und Frauen mit 59 Jahren in Pension, was der Experte als „unausweichlichen Trend“ bezeichnet. Das Alter, in dem die Steirerinnen und Steirer in den Ruhestand treten, wird von Jahr zu Jahr höher. „Die Leute gehen immer später in Pension.“
Die Fakten zeigen, dass die Beschäftigung der Älteren von der guten Wirtschaftslage der letzten Jahre profitiert hat. Wegen der aktuell etwas schwächelnden Konjunktur gab es zuletzt allerdings eine leicht steigende Arbeitslosigkeit in diesem Bereich, beobachtet der Arbeitsmarktexperte. Offenbar würden manche Arbeitgeber wieder in das alte Muster zurückfallen, indem sie meinen, auf ältere Mitarbeiter leichter verzichten zu können.
Dabei kommt der Fachkräftemangel in vielen Bereichen ins Spiel. Unternehmen suchen zum Teil händeringend geeignetes Personal. „Arbeitgeber, die nicht auf ihre älteren Mitarbeiter schauen, werden Probleme bekommen,“ warnt Snobe. Deshalb versuchten vorausschauende Unternehmer bewusst ihre Angestellten, die 50 Jahre und älter sind, so lang wie möglich in der Firma zu halten. Beim AMS selber sei der Pensionsantritt mit 65 Jahren die Normalität. Soeben sei eine qualifizierte Mitarbeiterin mit 70 in Pension gegangen, es gebe eine Reihe von Kollegen in Schlüsselpositionen, die schon älter als 65 sind.
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Beitrag veröffentlicht am 25. November 2019.