Die Grippewelle beweist: Altbewährte Arzneimittel liegen in allen Generationen voll im Trend.
Mag. pharm. Dr. Gerhard Kobinger
Apothekerkammerpräsident
Rinnende Nasen, heisere Stimmen, raue Rachen, schmerzende Glieder, rauchende Fieberthermometer. Die Grippewelle ist wieder da. Der Grazer Apotheker Dr. Gerhard Kobinger spürt das in seiner Apotheke ganz deutlich. Ob mit Rezept oder ohne, seine Kunden geben sich dieser Tage geradezu die Türklinke in die Hand. Ähnlich geht es in praktisch allen steirischen Apotheken zu. Großes Thema bei der Beratung ist natürlich die Frage, ob die Kunden eher auf altbekannte Naturheilmittel vertrauen oder eher den Spitzenerzeugnissen der modernen Pharmaindustrie zuneigen. Manche sprechen von einem Trend, alte Heilmittel neu zu entdecken.
Kobinger, der auch als Präsident der steirischen Apothekerkammer vorsteht, lässt seinen Kunden die Wahl, er beeinflusst nicht, sondern berät. Immerhin geht es um Körper, Gesundheit und Leben, da sind die Menschen naturgemäß empfindlich und nicht sehr risikofreudig. In der laufenden Grippewelle glaubt er, eine leichte Neigung vieler Patienten zu naturnahen Arzneimitteln auszumachen. Kobinger und sein Team haben aber auch Grippezeiten erlebt, in denen die Kunden tendenziell eher auf Deftigeres aus dem Arzneischrank setzten. Der Fachmann charakterisiert die Patienten mit plastischen Worten. „Die einen sagen, sie hätten gern was Natürliches“. Die andere Gruppe von Arzneimittelkunden würde hingegen herausfordernd fragen: „Haben‘s was G‘scheites?‘“
Die althergebrachten Naturheilmittel der Volksheilkunde, die es gewissermaßen „seit ewig“ gibt, haben also immer Saison. Kobinger erinnert an den Spruch, dass gegen alles ein Kraut gewachsen ist. Seit Generationen wissen die Menschen über die Heilkraft der Natur Bescheid. Salbei lindert Halsschmerzen, Preiselbeeren helfen der Blase, Kümmel wirkt bei Magenleiden, Kamille beruhigt die Schleimhäute, Spitzwegerich, Eibisch, Efeu oder Thymian erleichtern den Husten, Kren fördert die Nieren.
Die moderne Wissenschaft forscht noch immer an diesen und anderen Heilkräften aus der Natur und findet mit immer besseren Methoden in ihnen immer mehr Wirknachweise. In der Pharmakognosie gibt es den wichtigen Begriff der biogenen Arzneistoffe, also der Substanzen, die tatsächlich aus der Natur stammen, und jenen, die der Natur nachgebaut sind. Kobinger weiß, dass immerhin fast 40 Prozent aller Medikamente auf dem Markt zu dieser Gruppe gehören.
Zur Vorsicht rät der Apotheker bei manchen natürlichen Heilmitteln, die eher exotischen Ursprungs sind und die von den Herstellern stark beworben werden. Bei manchen heißt es, dass schon die alten Ägypter, Perser, Chinesen oder Maya auf sie gesetzt hätten. Genaue Untersuchungen hätten in vielen Fällen aber keinen Nachweis für die behauptete Wirkung gebracht. Manche Menschen setzen nach dem Jahreswechsel und der damit verbundenen Völlerei auf Spargelkapseln, weil die beim Abnehmen helfen würden. Spargel habe zwar eine entwässernde Wirkung, erklärt Kobinger, aber die erhoffte Fettreduktion sei auf diesem Weg nicht möglich. Andere setzen aus demselben Motiv auf Bromelain und Papain, die sich aus Ananas und Papaya gewinnen lassen. Diese Enzyme sind zwar in der Lage, mageres Rind- und Schweinefleisch aufspalten, besitzen aber nicht die Fähigkeit, die Fettpölster zu reduzieren.
Die Medizinberufe müssen sich auch auf das Phänomen einstellen, dass viele Menschen mit geradezu religiösem Eifer auf Heilmethoden und natürliche Substanzen setzen, deren Wirkung mit Mitteln der Wissenschaft nicht oder nur in äußerst geringem Umfang nachweisbar ist. Hier gilt für den erfahrenen Pharmazeuten der Grundsatz „Wer heilt, hat Recht“. Das trifft etwa auf homöopathische Arzneien zu, von denen Fachleute sagen, sie würden gleich wirksam sein wie Placebos. Tatsächlich gibt es Fälle, dass Beschwerden nach der Anwendung von Homöopathie gemildert wurden.
Kobinger weist bei den rein synthetischen Arzneimitteln auf die noch junge Generation der Biologika hin. Die bestehen aus künstlichen Substanzen, die sich gleichsam an biologische Strukturen anlehnen. Durch Biotechnologie und genetische Veränderungen werden personalisierte Medikamente möglich, die auf einen speziellen Patienten und eine bestimmte Wirkung punktgenau zugeschnitten werden. Speziell für die Altersmedizin eröffnen sich so völlig neue Wege.
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Fotos: Mag. pharm. Dr. Gerhard Kobinger, Shutterstock
Beitrag veröffentlicht am 7. März 2018.