Fohnsdorf in der Obersteiermark positioniert sich als Ort der Generationen. Ein Interview mit Bürgermeister Gernot Lobnig.
Fohnsdorf war früher reich mit den Kohlevorkommen. Herr Bürgermeister, was macht den Reichtum Ihrer Gemeinde heute aus?
Bürgermeister Gernot Lobnig: Ich glaube, uns ist hier ein guter Mix aus Tourismus, Handel, Dienstleistungen und einigen sehr bemerkenswerten Unternehmen gelungen. Zum Beispiel haben wir das Einkaufszentrum Arena, eines der größten Fachmarktzentren in Österreich. Da sind an die 100 Betriebe angesiedelt, die rund 700 Mitarbeiter beschäftigen.
Wie positioniert sich Fohnsdorf als Lebensraum für alle Generationen, für Alt und Jung?
Wir sehen, dass alle Generationen bei uns sehr gut miteinander „können“. Durch die Wirtschaftsgeschichte der letzten Jahrzehnte hat sich die Bevölkerungsentwicklung zunächst in Richtung der Älteren verschoben. Wir haben im Ort drei Pflegeheime, ein Seniorenwohnheim, zwei Einheiten mit betreutem Wohnen, unser Seniorencafé und ein Ärztezentrum. Einen Akzent gibt es in der Zusammenarbeit zwischen den Kindergärten und den Seniorenheimen. Die Kinder kommen zu Besuch in die Pflegeheime, was die Älteren natürlich besonders freut. Nur wegen Corona gab es eine kurze Unterbrechung.
Wie stemmt die Gemeinde angesichts der Krisen unserer Zeit die Kosten im Sozial- und Seniorenbereich?
Bekanntlich zahlen die Gemeinden in den Sozialhilfeverband ein und dort spüren wir die Kostenexplosion extrem. Die steirische Politik ist bei der Reform dieses Systems ziemlich weit fortgeschritten, indem die regionalen Sozialhilfeverbände 2024 in eine landesweite Organisation zusammengefasst werden. Aus meiner Sicht macht das absolut Sinn. Wenn man es richtig macht, sollten hier die Synergien und positiven Effekte überwiegen.
Überall wird der Ruf nach mehr Pflege laut, besonders nach mobiler Pflege. Trifft das auch auf Fohnsdorf zu?
Auch ich halte die mobile Pflege für die Zukunft der Pflege und sie muss unbedingt in alle Reformbemühungen einbezogen werden. Die betagten Fohnsdorferinnen und Fohnsdorfer brauchen die mobile Pflege als Übergang ganz dringend und auch ihre pflegenden Angehörigen brauchen Entlastung. Bei uns ist die mobile Pflege zwischen dem Roten Kreuz, der Caritas und der Volkshilfe aufgeteilt und die sind in ihrem Angebot gut auf die Notwendigkeiten der Pflege eingestellt.
Nicht erst seit Corona gibt es die Warnung vor dem Pflegenotstand. Ist Fohnsdorf mit seiner derzeitigen Altersstruktur da nicht sehr betroffen?
Wir bekommen natürlich mit, dass es in den Heimen einen großen Personalbedarf gibt. Außerdem wird es immer schwieriger, in einem anderen Bereich, der 24-Stunden-Pflege, Leute zu finden.
Man kann sagen, wir sind in einer krisenhaften Zeit gelandet. Kann da ein Bürgermeister überhaupt etwas ausrichten?
Wir versuchen in vielen Bereichen, der Entwicklung die Spitze zu nehmen. Was die Gemeinde unmittelbar betrifft, leiden wir genauso unter den steigenden Preisen wie alle Haushalte. Denn auch wir kaufen täglich ein, und zwar nicht nur Büromaterial, sondern auch Energie, Lebensmittel und viele andere Dinge. Wir haben angefangen, Prioritäten zu setzen, zum Beispiel im Baubereich. Bei den geplanten Projekten rechnen wir nach und überlegen, ob und welche wir gleich machen müssen und welche wir eventuell verschieben können. Wir fragen: Was brauche ich dringender? Was ist notwendiger? Wo kann ich bei Investitionen zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen und zum Beispiel sowohl Energie sparen als auch erneuerbare Energie erzeugen? Gerade im Bereich der erneuerbaren Energien ist in Fohnsdorf viel in Bewegung. Wir merken, wie viele Private Fotovoltaikanlagen auf ihren Dächern bauen.
Der Unternehmer Dietrich Mateschitz war auch in Ihrer Gemeinde und in der Region ein wichtiger Investor. Eine Gemeinde ist für andere Belange verantwortlich als ein Investor. Haben beide Seiten eine Zukunftsorientierung, die sich vereinen lässt?
Ich habe den Eindruck, dass alles auf Schiene ist und gehe davon aus, dass Herr Mateschitz ein entsprechendes Vermächtnis für die Zukunft hinterlassen hat.
Gibt es darüber auch eine Kommunikation oder ist das nur eine Einschätzung von Ihnen?
Es ist ein kleiner Kreis, der unmittelbar mit Herrn Mateschitz Kontakt hatte. So, wie ich ihn wahrgenommen habe, dachte er sehr zukunftsorientiert und ich glaube, dass er die Weichen rechtzeitig gestellt hat.
Gibt es eine Zukunftsvision, wohin die Reise für Fohnsdorf geht?
Wir blicken nach vorne, weil die Zeiten nicht stehen bleiben. Ich persönlich halte das Thema Klimaschutz für ganz entscheidend, auch wenn das durch Corona und den Ukraine-Krieg in den Hintergrund gerückt zu sein scheint.
Die Gemeinde ist groß geworden durch die alte Energie Kohle und startet jetzt in die Welt der neuen Energien. Kann man sagen, dass Fohnsdorf eine Wende um 180 Grad macht?
Das könnte man so sagen. Wir bauen gerade gemeinsam mit den Stadtwerken Judenburg die Fernwärme massiv aus. Das ist aus energiepolitischer Sicht wichtig und auch zur Reduzierung von Abhängigkeiten. Denn unsere Fernwärme ist die Abwärme der Zellstofffabrik Pöls. Das ist industrielle Abwärme, die ohnehin vorhanden ist und nicht erst produziert werden muss. Und wir verstärken die Initiativen, Fotovoltaik auf allen öffentlichen und kommerziellen Gebäuden zu installieren. Unser Ansporn ist, dass die Einwohnerzahl von Fohnsdorf seit 2015 wieder steigt. Bei der Infrastruktur für die Bewohner und die Wirtschaft sind wir immer schon sehr gut unterwegs, aber auch bei der Kinderbetreuung und im Bildungsangebot für die Jugend. Fohnsdorf steht für Zukunft in jeder Beziehung und das gilt für alle Generationen.