Sigrid Semmler (65) und Bernd Unterweger (68) tanzten sich im Laufe ihres Lebens durch viele Tanzstile. Nur der Tango fehlte. Ein Nachmittag mit dem erotischsten Tanz der Welt.
Frau Semmler, Herr Unterweger, taugt der Tango, um eingeschlafene Beziehungen aufzuwecken?
Semmler: Auf jeden Fall (lacht). Bernd und ich haben uns beim Swingtanzen kennengelernt. Ich hätte richtig Tango nie mit einem Partner getanzt, mit dem ich nicht in einer Beziehung bin. Dazu ist der Tanz zu erotisch. Es heißt ja, ein Mann muss 17 Jahre lernen, bis er Tangotanzen kann. Die Frau nur eines.
Unterweger: Als Mann ist der Tanz herausfordernd, weil er führen muss. Dazu muss er viel investieren, in Körperarbeit etwa, er muss eine stabile Körperhaltung haben und kreativ musikalisch sein. Walzer oder Salsa kann man nach einem Jahr gut tanzen, wenn man regelmäßig übt. Bei Tango dauert das viel, viel länger.
Semmler: Bei Salsa tanzt man einfach los, auf den Tango muss man sich einstellen. Als Frau nichts machen zu dürfen, ist schwierig. Ich bin vom Swingtanzen gewohnt, dass man als Frau spielen darf. Beim Tango muss man sich fallen lassen, man muss locker sein, warten können und rechtzeitig und gut reagieren. Es war für mich schon eine Herausforderung, nicht einfach draufloszumarschieren.
Was macht den Tango so besonders?
Semmler: Es ist die Musik! Einmal so stimmungsvoll und beschwingt, dass dir das Herz aufgeht, im nächsten Moment so melancholisch, dass man weinen könnte. Dieser spontane Wechsel fasziniert mich.
Wie gut sind Sie schon?
Unterweger: Wir sind erst am Anfang! In der Corona-Zeit haben wir sehr viel geübt, jetzt fängt es schön langsam an, Spaß zu machen.
Semmler: Also ich warte noch auf den Flow (lacht). Aber es gibt schon so Momente, wo ich mir denke: Jetzt haben wir’s!
Pfeffer für die Beziehung
Der Tanzlehrer Iliyan Donchev über den erotischsten aller Tänze und wie man ihn lernen kann.
Welche Voraussetzungen braucht es für Tango?
Zum Tangotanzen muss man nicht unbedingt athletisch sein. Die körperliche Statur ist ziemlich egal, es reicht, einen Tango-Abend zu besuchen, um zu sehen, welch unterschiedliche Menschen Tango tanzen. Wenn man regelmäßig tanzt, stellt sich eine gewisse Ausdauer, Fitness, Verbesserung der Körperhaltung sowieso ein. Das tut dem Körper gut, ist in diesem Sinne aber keine Voraussetzung, um Tango lernen zu können, vielmehr ein positiver Effekt wenn man schon länger tanzt.
Welche Ausbildung empfehlen Sie älteren Paaren?
Es gibt in vielen Städten Kurse und Workshops, die Paare unabhängig vom jeweiligen Alter besuchen können. Es reicht die Bereitschaft, etwas Neues zu lernen – und vielleicht die Bereitschaft der Frau, dem Mann einmal die Führung zu überlassen.
Wann „kann“ man Tango, was ist das Besondere an diesem Tanz?
Es gilt wie für alle anderen Tänze: Tango kann man, wenn man Spaß beim Tanzen hat und das genießt! Ich habe diese Frage auch meiner Frau gestellt, mit der ich schon seit über acht Jahren gemeinsam tanze und unterrichte. Für sie ist das Besondere am Tango, dass es sich nicht nur um körperliche Betätigung handelt, sondern wenn man tief in den Tango eintaucht, eine wunderbare geistige und emotionale Verbindung zum Partner ermöglicht. Das Führen und Folgen, sich Fallenlassen als Folgende, die tiefe körperliche Verbundenheit – Tango wird nicht umsonst Herz an Herz getanzt – all das macht den Tango so besonders. Dieses Gefühl ist beim Tanzen mit dem eigenen Partner immer am stärksten, aber gute Tangotänzer spüren diese Verbindung zu ihrem aktuellen Tanzpartner manchmal ebenso, auch wenn man vielleicht zum allerersten Mal miteinander tanzt.
Kann Tango dazu dienen, mehr „erotischen Pfeffer“ in die Beziehung zu bringen? Oder ist man so mit Lernen und Perfektion beschäftigt?
Natürlich dauert es immer ein wenig, einen Tanz so zu erlernen, um das Tanzen wirklich genießen zu können. Wie lange es dauert, bis sich Genuss wirklich einstellt, hängt sehr stark von der eigenen Persönlichkeit ab. Aber auch hier kann der Tango behilflich sein: Sich von den eigenen Vorstellungen und dem Perfektionismus verabschieden und sich einmal fallen zu lassen, nur den Moment mit dem Partner und der Musik um sich herum genießen zu können, unabhängig vom eigenen Tanzlevel, das sollte immer das Ziel sein. Ob Tango Pfeffer in eine Beziehung bringen kann? Ja, ganz bestimmt! Aber nur auf den Tango würde ich mich nicht verlassen, um eine Beziehung aufrecht zu erhalten. Wenn aber die Gefühle zum Partner schon da sind, kann man sicher sein, dass Tango eine Beziehung in vielerlei Hinsicht bereichern wird.