Die Suche nach dem zweiten Frühling
Für die große Liebe ist man nie zu alt. Um diese zu finden, gibt es heute mehr Möglichkeiten als je zuvor. Wenn der Partner fehlt und die Kinder außer Haus sind, macht sich oft die große Leere breit. Das Leben mit 60Plus nach einer Trennung oder einem Verlust noch einmal neu zu denken, sich auf das Singlesein oder eine neue Partnerschaft einzulassen, ist für viele Menschen eine große Herausforderung und harte Arbeit. Doch der Mensch ist ein hochsoziales Gesellschaftstier. Geborgenheit und Nähe sind natürliche Grundbedürfnisse – warum also darauf verzichten? Die Suche nach einem neuen Partner findet mit zunehmendem Alter jedoch unter anderen Bedingungen statt als noch in jüngeren Jahren.
Mit 66 Jahren da fängt das Leben an
Die Familiengründung und die Anhäufung von gemeinsamem Besitz sind jenseits der 60 längst nicht mehr wichtig, man kann sich voll und ganz sich selbst, dem neuen Partner und den gemeinsamen Interessen widmen. Zusammen Neues entdecken steht in der zweiten Lebenshälfte hoch im Kurs. Damit eine zukunftsversprechende Liebe entstehen kann, sollten Altlasten aus vergangenen Beziehungen so gut wie möglich verarbeitet sein. Im besten Fall ist man daran gewachsen, hat herausgefunden, was man will und was man nicht mehr möchte. Die eigenen Ansprüche haben sich mit den Lebensjahren und Erfahrungen weiterentwickelt und gefestigt. Mit diesem neuen Selbstbewusstsein gelingt eine zielgerichtetere Suche. Es fällt aber auch schwerer, sich auf das Gegenüber mit all seinen Eigenheiten einzulassen. Kompromisse eingehen können und dem anderen ausreichend Freiraum für sich selbst lassen wird mit zunehmendem Alter immer wichtiger. Entscheidend für eine dauerhafte Beziehung ist natürlich auch, wie man im Alltag miteinander auskommt und gemeinsam Krisen übersteht. Vertrauen und Geborgenheit geben der Beziehung Stabilität. Doch wie und wo findet man noch einmal das große Liebesglück?
Liebe auf den späten Blick
Wer es nicht dem Zufall überlassen möchte und gezielt nach einem neuen Partner sucht, hat heute eine ganze Bandbreite an Möglichkeiten zur Auswahl. Ob man gerne tanzen geht, verreist, seinen Lieblingssport ausübt oder ganz neue Interessen testet: wer aktiv am gesellschaftlichen Leben teilnimmt, hat auch größere Chancen einen neuen, potentiellen Partner kennenzulernen. Viele Gemeinden, Einrichtungen und Vereine richten sich mit speziellen Angeboten und Aktivitäten an alleinstehende Senioren. Sehr beliebt sind zum Beispiel Tanz- und Wandergruppen, Koch- und Reisegruppen oder Seniorenstammtische. Immer mehr Alleinstehende über 55 entdecken auch die Partnersuche im Internet für sich. Es heißt also, Augen offen halten für die Liebe auf den späten Blick.
Quellen: „Passt genau. Endlich den richtigen Partner finden“, Eva Wlodarek „Liebe auf den späten Blick. Partnersuche 60plus“, Hanne Huntemann, Angela Joschko
PARTNERSUCHE IM INTERNET
Immer mehr alleinstehende Senioren nutzen das Internet und begeben sich auf digitale Partnersuche. Die Grazer Psychologin und Beziehungsexpertin Mag. Doris Jeloucan erklärt, welche Veränderungen Online-Dating-Portale für das Single-Dasein bringen und warum sie eine Bereicherung oder eine Belastung sein können. So wie im Leben alles seine Chancen und Risiken hat, hat es auch das Online-Dating.
Für Menschen, die schon länger keine Beziehung mehr hatten, bieten diese Dienste eine gute Möglichkeit, wieder aufs Rad zu steigen. Die zwar gelernten, aber eingerosteten Flirtmuskeln werden wieder trainiert, ohne die Bewertung der Familie. Die Angst vor Kränkung ist auch bei älteren Menschen groß. Zurückweisungen werden durch die schiere Menge an Alternativen nicht ganz so schmerzhaft wahrgenommen und man bekommt gleichzeitig Übung im Umgang mit solchen Gefühlen. Beim Online-Dating ist man nicht nur anonym, sondern man hat auch eine ausreichende Anzahl an Menschen zum Üben (wie spreche ich an, wie lasse ich mich ansprechen, wie wirke ich). Das ist ein wertvolles Feedback, um sich auch effizient an die ganze Sache heranzutasten. Man sollte sich bewusst sein, dass verschiedene Portale unterschiedliche Menschen anziehen, und sich selbst darüber im Klaren sein, in welche Zielgruppe man passt. Wer sexuelle Kontakte sucht, wird eher Samstagabend auf Tinder suchen. Akademiker suchen bei Elite Partner, alternative Menschen suchen im Lotus Café usw. – für jeden ist was dabei. Natürlich gelten auch hier Sicherheitsregeln, z.B. sich nur an öffentlichen Plätzen zur ersten Verabredung zu treffen und sich ruhig zu trauen „Nein“ zu sagen, wenn das Gegenüber eine Grenze überschreitet.
Es kann allerdings auch rasch das Gefühl entstehen, eine nicht enden wollende Menge an potenziellen Partnern zur Verfügung zu haben. Das hat massive Auswirkungen:
- Die Verliebtheitsphase ist nicht so tief, denn dafür müsste man sich verletzlich machen und sich mitallen Facetten zeigen, damit man zu einer echten Verbindung kommt.
- In die Beziehung selbst wird nicht so viel investiert (Kosten – Nutzen – Rechnung)
- Da die Verliebtheitsphase kurz und die Bindungsphase nicht sehr tiefgehend war, fehlt den Paaren die Kraft und der Grund, bei Konflikten dran zu bleiben. Ganz nach dem hedonistischen Prinzip „Unlustvermeidung, Lustgewinnung“. Das ist auch ok, wenn man sich bewusst für Serienmonogamie entscheidet, d.h. stets in festen Händen und dann auch treu zu sein, die Partnerin/den Partner aber alle paar Jahre zu wechseln und nie zu heiraten. Aber meistens wird dies als Scheitern wahrgenommen und erzeugt hohen Leidensdruck.

Mag. Doris Jeloucan
Tipps zur Online Partnerwahl
- Sind die Fotos sympathisch?
- Fühle ich mich beim Lesen des Profils angesprochen (Humor, Extravertiertheit, Introvertiertheit, Offenheit usw.)?
- Empfinde ich Nachrichten/Telefonate als angenehm (ist der andere selbstsicher, eloquent, schüchtern)?
- Kann ich die Person beim ersten Treffen gut riechen und fließt die Kommunikation, wie wenn man mit einem alten Freund spricht, den man lange nicht mehr gesehen hat und mit dem man über Gott und die Welt reden kann?
Mag. Doris Jeloucan
Krenngasse 6/3/17, 8010 Graz
+43 680 405 10 86
doris@jeloucan.at
www.jeloucan.at

Fotos: Shutterstock, Mag. Doris Jeloucan
Beitrag veröffentlicht am 7. März 2018.