50 ist das neue 35. Stimmt das?

Das mit dem Älterwerden ist so eine Sache. Auf den Dreißiger freut man sich, weil man endlich erwachsen ist und richtiges Geld verdient. Der Vierziger ist auch noch in Ordnung, weil man mitten im Leben steht. Und die 50-Jährigen, die letzten der Babyboomer-Generation, leben, als wären sie noch 35. Dazu zwingt sie auch die Gesellschaft in gewisser Weise, sagt der deutsche Trendforscher Peter Wippermann: In einer Welt, in der Leistungsfähigkeit mit Jugendlichkeit gleichgesetzt werde, Bindungen immer lockerer würden und Paare nach 20 Jahren ihre Ehe lösen und wieder Single seien, müsse jeder darauf achten, seinen persönlichen Marktwert möglichst lange hochzuhalten.

„Wir wollen nicht älter werden, sondern möglichst lange gesund bleiben“, betont Alternsforscherin Beatrix Grubeck-Loebenstein, das biologische Alter ist in der Tat nicht mehr mit dem chronologischen gleichzusetzen. Die demografische Entwicklung erfordert das auch: Mehr ältere und pflegebedürftige Menschen werden für das Sozialsystem zunehmend zur  Herausforderung. Doch 50-Jährige mit 30-Jährigen gleichzusetzen, scheitert schon an biologischen Gegebenheiten. „Mit 30 ist man vergleichsweise jung und hat die volle Regenerationskraft. Vieles, was ausfällt oder schlecht funktioniert, kann in diesem Alter noch erneuert werden.“ Ab 50 heißt es, die Weichen neu zu stellen: Gesunde Ernährung, Sport, soziale Kontakte, Lesen, Lernen oder Vorsorgeuntersuchungen werden wichtiger denn je. Für viele Frauen kommt diese Weichenstellung automatisch mit den körperlichen und psychischen Veränderungen durch die Menopause. Wenn Grubeck-Loebenstein den Anti-Aging-Trend auch skeptisch sieht, so betont sie: Auf sich zu achten, sich zu pflegen und gut zu kleiden ist eine nicht zu unterschätzende biologische Komponente. „Es ist immer besser, wenn man sich wohl fühlt und gern unter Menschen ist, als deprimiert und alleine zuhause zu sitzen.“

Das verschwundene Organ

Dass man ab 50 stärker gezwungen ist, vorzusorgen, hängt auch mit einem Organ zusammen, dem Thymus oder Bries. Der beginnt schon bei der Geburt zu schrumpfen und hat sich bis ins Alter von 40 bis 50 Jahren komplett zurückentwickelt. In diesem Organ reift ein bestimmter Typus von Immunzellen heran. Obwohl andere Abwehrzellen vorhanden sind, ist deren Leistungsfähigkeit beschränkt, Regenerationsprozesse werden schwieriger. Der Gesellschaft attestiert Grubeck-Loebenstein jedenfalls ein gestiegenes Gesundheitsbewusstsein und Aufgeschlossenheit gegenüber Maßnahmen, die auf die Verlangsamung von Altersprozessen abzielen. „Nicht nichts machen“, rät die Immunologin. Man nimmt heute an, dass jene, die sich regelmäßig bewegen, seltener an Alzheimer erkranken.

Mit gesundheitlichen Vorbeugemaßnahmen kann auch Funktionsverlusten, etwa bei Lunge, Herz oder Muskeln, entgegengesteuert werden. Nahrungszusätze, so betont die Wissenschaftlerin, könne man einnehmen, sie seien nicht gefährlich. Ob sie den Alterungsprozess zurückdrängen können, ist wissenschaftlich noch nicht bewiesen. Als wirksam hat sich das Intervallfasten herausgestellt. Bei allen Spezies, von kleinen Würmern bis zum Affen, zeigte sich, dass eine reduzierte Kalorienzufuhr über längere Zeit die Gesundheit verbessert und das Immunsystem länger jung bleibt. In der Forschung wird nun versucht, die Langlebigkeitsmoleküle, die durch das Weglassen von Mahlzeiten eingeschaltet werden, durch Medikamente zu stimulieren, ohne dass man dabei fasten muss. In diesem Zusammenhang wurde übrigens festgestellt, dass es nicht darauf ankommt, wie spät oder wie viel man abends isst, sondern dass die Abstände zwischen den Mahlzeiten lange genug sind, damit sich der Körper erholen kann.

Beitrag veröffentlicht am 16. April 2020
Bildquelle: Shutterstock