Seit 01. Jänner 2022 ist der assistierte Suizid in Österreich straffrei. Damit ist das Thema Sterbehilfe in den sozialen Diskurs gerückt. Wir haben die 25 wichtigsten Fragen und Antworten zur Sterbehilfe zusammengetragen.
01. Ist Selbsttötung strafbar?
Grundsätzlich: nein.
02. Warum hat der Nationalrat ein Gesetz in Sachen Sterbeverfügung beschlossen?
Der Verfassungsgerichtshof hat Ende 2020 die Bestimmung des Strafrechtes aufgehoben, welche jede Art von Hilfe zur Selbsttötung ausnahmslos verbietet und unter Strafe stellt. Das Recht auf freie Selbstbestimmung sei auch in diesem Bereich zu respektieren. Ende 2021 beschloss der Nationalrat in diesem Sinn das Sterbeverfügungsgesetz.
03. Für wen kommt assistierte legale Selbsttötung infrage?
Für sterbenskranke, schwer leidende Menschen über 18 Jahren, die entscheidungsfähig sind. Große Leiden und Schmerzen, deren Ursache nicht unweigerlich zum Tod führt, sind kein ausreichendes Motiv.
04. Ist Tötung auf Verlangen strafbar?
Ja. Rechtlich, medizinisch und ethisch ist es ein gravierender Unterschied, eine andere Person auf deren Verlangen zu töten oder sie bei der legalen freiwilligen Selbsttötung zu unterstützen. In dem einen Fall stirbt eine sterbewillige Person von fremder Hand: Sie hat nicht die volle Handlungskontrolle, sollte sie den Vorgang etwa abbrechen wollen. Im anderen Fall wird ihr z. B. durch die Verschaffung einer tödlichen Substanz geholfen: Sie behält die Handlungskontrolle und würde ohne ihre eigene notwendige letzte Handlung nicht sterben. Wer nicht in der Lage ist, sich selbst zu töten, kann im Wunsch, das Leben zu beenden, demnach nicht unterstützt werden.
05. Welche Beihilfe zur legalen Selbsttötung ist erlaubt?
Grundsätzlich nur Handlungen in Bezug auf eine Person, welche die Voraussetzungen zur Errichtung einer Sterbeverfügung zutreffen. Das Gesetz spricht von physischer Hilfeleistung für die Handlung einer Person, welche kausal zur Selbsttötung führt oder diese fördert. Zum Beispiel gilt das für die Bereitstellung von Räumlichkeiten oder das Abholen des Präparats von der Apotheke. Den Löffel mit der todbringenden Arznei der sterbewilligen Person zum Mund zu führen (weil sie das selbst nicht mehr kann), wäre Tötung auf Verlangen und somit strafbar.
06. Ist Verleitung zur Selbsttötung strafbar?
Ja. Darunter versteht man, den Entschluss einer Person zur Selbsttötung durch psychische Beeinflussung zu wecken oder zu verstärken. Das kann durch Überreden geschehen oder durch Überspielen der Todesfurcht, indem man z. B. ein probates Tötungsmittel vorschlägt.
07. Wer kann Mithilfe zur legalen Selbsttötung leisten und gibt es eine Verpflichtung dazu?
Nein. Das ist ebenso freiwillig wie der Wunsch nach einer Selbsttötung. Personen, die diese Hilfe erbringen, müssen das aus freien Stücken tun, volljährig und entscheidungsfähig sein. Sie dürfen nicht gleichzeitig die Personen (Ärzte, Notare) sein, die im Sinne des Gesetzes Ausklärung leisten oder dokumentieren.
08. Werden Menschen, die legale Mithilfe bei einer Selbsttötung leisten (wollen), in irgendeiner Weise, etwa in Dokumenten, erfasst?
Diese Person müssen in der Sterbeverfügung namentlich erfasst sein. Nur sie ist gegebenenfalls zur legalen Hilfeleistung befugt.
09. Was ist die Sterbeverfügung, wer errichtet sie?
Die Sterbeverfügung ist der schriftliche Ausdruck eines Menschen, sein Leben unter den Bedingungen des Gesetzes mit Beihilfe einer anderen Person beenden zu wollen. Sie wird von dieser Person persönlich errichtet – höchstpersönlich, heißt es im Gesetz. Die Sterbeverfügung wird gemeinsam mit damit verbundenen und vorgeschriebenen Vorgängen und Dokumenten involvierter Personen (Ärzte, Notare, Apotheker, Beschauärzte) in ein staatliches Register eingetragen, für das alle Regeln des Datenschutzes gelten.
10. Was kostet eine Sterbeverfügung?
Notare werden eine Gebühr verlangen, deren Höhe ist laut Notariatskammer noch nicht festgesetzt. Dasselbe gilt analog für die ärztlichen Beratungen. Patientenvertretungen können für ihre Dienstleistungen keine Gebühren verrechnen.
11. Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein?
Die sterbewillige Person muss sterbenskrank, sehr schwer leidend, über 18 Jahre alt und entscheidungsfähig sein. Zwingend ist die dokumentierte Aufklärung durch zwei verschiedene ÄrztInnen. Diese müssen sowohl über alle Belange der Selbsttötung als auch über Alternativen wie Hospiz- und Palliativversorgung, Patientenverfügung, psychotherapeutische Hilfsangebote und suizidpräventive Angebote beraten und darüber ein Dokument anlegen. Frühestens zwölf Wochen danach ist die Errichtung der Sterbeverfügung bei einem Notar oder einer Patientenvertretung möglich. Dort müssen Rechtskundige die betreffende Person über rechtliche Aspekte ihrer Absicht informieren. Der Sterbeverfügung müssen alle Dokumentierungen dieser Auskünfte beiliegen.
12. Kann ein Arzt den Wunsch einer sterbewilligen Person nach assistierter Selbsttötung zurückweisen?
Ja. Wenn diese Person nicht alle gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt oder wenn es für ihn erkennbar ist, dass sie in ihrem Wunsch stark von Dritten beeinflusst ist.
13. Sind ÄrztInnen zur Mitwirkung an einer Sterbeverfügung verpflichtet?
Nein.
14. Wie findet man ÄrztInnen, die zur verpflichtenden Beratung bereit sind?
Der erste Schritt sollte zum Hausarzt oder einem anderen Mediziner des Vertrauens gehen. Sie werden einen Berufskollegen nennen, welcher solche Beratungen macht, oder an die Ärztekammer verweisen, damit diese solche Auskünfte erteilt. Mittelfristig wird es eine Liste von ÄrztInnen geben, die solche Beratungen machen.
15. Sind Notariate oder MitarbeiterInnen der Patientenvertretungen zur Mitwirkung an einer Sterbeverfügung verpflichtet?
Nein. Aber analog zum Vorgang bei den ÄrztInnen darf der Weg zur Sterbeverfügung nicht verschlossen werden. Zumindest in jeder Patientenvertretung muss es eine rechtskundige Person geben, die bereit ist, in diesem Sinne zu handeln. Die Notariatskammer wird eine Liste der Notariate anlegen, bei denen Sterbeverfügungen errichtet werden können.
16. Wie lange gilt eine Sterbeverfügung?
Sie verliert ihre Wirksamkeit sofort, wenn die betreffende Person das wünscht, oder sonst jedenfalls nach einem Jahr. Notariat oder Patientenanwaltschaft haben die Abschrift zu vernichten. Das Motiv des Gesetzgebers ist, dass niemand eine Sterbeverfügung gleichsam auf Vorrat errichtet und dann auf unbestimmte Zeit ein tödliches Präparat im Haus hat, weil es diese Person „beruhigt“.
17. Was passiert, wenn die Selbsttötung nach einem Jahr nicht erfolgt ist?
Ist der Wunsch aufrecht, das Leben selbst zu beenden, muss mit der Prozedur erneut begonnen werden. „Abkürzungen“ sind wahrscheinlich.
18. Können die betreffende Person selbst oder die Angehörigen eine Sterbeverfügung widerrufen?
Die sterbewillige Person kann sie jederzeit zurücknehmen oder sich trotz Sterbeverfügung entscheiden, diesen Weg dennoch nicht zu gehen. Angehörige können höchstens ihre Meinung äußern, weil nicht sie es sind, welche die Sterbeverfügung errichtet haben.
19. Wann kann die Selbsttötung stattfinden?
Die Errichtung der Sterbeverfügung ist frühestens zwölf Wochen nach verpflichtenden, dokumentierten ärztlichen Beratung möglich. Dann sind die Dauer der Vorgänge beim Notariat oder der Patientenvertretung und die Zeit zu berücksichtigen, welche die Abschrift und die Eintragung ins Register erfordert. Die Frist von zwölf Wochen kann in medizinisch begründeten Ausnahmefällen verkürzt werden. Hat man die Abschrift der Sterbeverfügung in den Händen, können die diesbezüglichen Schritte gesetzt werden.
20. Welche Art der assistierten Selbsttötung sieht das Gesetz derzeit vor?
Eine entsprechende Dosis des Präparats Natrium-Pentobarbital. Es wird als Pulver, Tablette oder Lösung zur intravenösen Injektion vertrieben. Grundsätzlich kann jeder Mensch die Art seiner Selbsttötung selbst bestimmen. Auch ein Pistolenschuss verstößt gegen kein Gesetz, sofern dabei sonst niemand zu Schaden kommt.
21. Was kostet das tödliche Präparat?
Etwa 400 € je Dosis.
22. Wie bekommt man das Präparat?
Ist die Sterbeverfügung errichtet, kann jede Apotheke das Präparat an die betreffende oder an eine offiziell genannte assistierende Person abgeben. Eine Zustellung ist möglich. Alle Details der Abgabe muss die Apotheke mit dem Register kommunizieren und besonders darauf achten, ob an die Person bereits zuvor eine Dosis des Präparats ausgegeben wurde.
23. Muss jede Apotheke das Präparat führen und abgeben?
Nein, auch hier gilt die vom Gesetz betonte Freiwilligkeit. Es ist vorgesehen, dass Notariate und Patientenvertretungen eine Liste solcher Apotheken erhalten.
24. Wie muss man das Präparat zu Hause aufbewahren?
Die sterbewillige Person muss es gegen unbefugte Entnahme unbedingt sichern, am besten in einem Safe.
25. Was ist zu tun, wenn das Präparat nicht angewendet wird oder wenn Reste davon übrigbleiben?
Gibt jemand mit einer Sterbeverfügung den Sterbewillen auf, muss diese Person das Präparat an die Apotheke zurückgeben. Die Angehörigen sind nach dem Todesfall verpflichtet, Reste des Präparates, die übrig geblieben sind, zu retournieren. Die Apotheke hat diese Vorgänge sorgfältig im Register zu kommunizieren.