Herr Kunasek, auch Sie kämpfen für Ihre Partei um die vielen Stimmen der älteren Generation. Können Sie kurz sagen, warum sie eigentlich die Freiheitlichen wählen sollen?
Mario Kunasek: Weil die Freiheitlichen ganz klar sagen, dass die ältere Generation viel geleistet und uns eine wunderbare Heimat übergeben hat. Deshalb müssen sie auch wertgeschätzt werden. Das ist nicht immer der Fall, wenn wir etwa an die Pensionen denken. Da kommen sich die Senioren manchmal wie Bittsteller vor. Das wollen wir nicht. Wir sind für ein Altern in Würde und wir wollen, dass die Älteren auch aktiv bleiben. Dazu braucht es entsprechende Ansätze.
Vielen der älteren Generation fällt auf, dass es in der Landesverwaltung zwar Einrichtungen gezielt für Kinder, Jugendliche, Flüchtlinge oder Frauen gibt, aber nicht für die Senioren, obwohl die doch eine so große Bevölkerungsgruppe bilden. Warum eigentlich?
Kunasek: Es gibt schon die Seniorenvertretung auf der Ebene der Politik, aber offenbar findet sie nicht Gehör. Wenn man von amtlichen Einrichtungen spricht, möchte ich aber auch anmerken, dass nicht alles digital sein darf. Wir Jüngere sind eine Generation, die mit dem Digitalen schon länger lebt, aber es muss auch möglich sein, analog zu arbeiten, damit auch die ältere Generation daran teilhaben kann, etwa bei Amtswegen und Entscheidungsprozessen.
Apropos arbeiten: Viele Senioren wollen auch in der Pension beruflich aktiv bleiben, stoßen aber auf Hindernisse und Benachteiligungen etwa im Steuerrecht. Was sagen Sie dazu?
Kunasek: Wenn ich richtig informiert bin, hat die Politik dieses Problem jetzt endlich am Radar. Ich glaube, dass gerade in Zeiten wie diesen, wo wir auf jede Arbeitskraft angewiesen sind und die Unternehmer händeringend nach guten Mitarbeitern suchen, die Frage angebracht ist: ‚Warum nicht auch jemand Älterer‘? Sie bringen viel Erfahrung mit und sind oft sehr leistungsbereit. Wir wissen auch, je länger man aktiv bleibt, desto länger bleibt man auch gesund. Es wäre eine Win-win-Situation für die älteren Menschen, aber auch für die Wirtschaft.
Wir versuchen in diesen Gesprächen herauszuarbeiten, wie bewusst Politikern die Welt der Älteren ist. In der Seniorenstudie von Abenteuer Alter nennen die Senioren ihre zwei größten Sorgen, nämlich Altersarmut und Einsamkeit. Was glauben Sie, welche davon ist die größere Sorge?
Kunasek: Wenn ich raten müsste, ist es die Einsamkeit.
Sie haben ganz recht!
Kunasek: Ich glaube das deshalb, weil ich an meine Großmutter denke. Die ist heuer 100-jährig verstorben und war sehr lange zu Hause. Sie hat immer wieder geklagt, dass die Kinder, Enkel und Urenkel wenig Zeit für sie haben und die Einsamkeit ist für sie auch Thema gewesen. Dem muss man sich stellen und ich sehe auch die Gemeinden in der Pflicht, hier Angebote zu schaffen. Auch die Seniorenverbände sind hier angesprochen, niederschwellig attraktive Angebote zu entwickeln, damit die Älteren am sozialen Leben und am Austausch mit allen Generationen teilhaben können.
Das zentrale Thema dieser Generation ist natürlich die Gesundheit und da gibt es von vielen die Wahrnehmung, alles wird immer schlechter. Teilen Sie diesen Befund?
Kunasek: Da kann man nicht widersprechen, denn es gibt heute eine Zwei-Klassen-Medizin, das wissen alle. Gerade in den Regionen, wenn man nicht das Glück hat, in Graz zu wohnen, ist es schwierig, Behandlungs- oder Untersuchungstermine zu bekommen. Es gibt ein Mangel an niedergelassenen Ärzten, man schließt Krankenhäuser und die Wegstrecken werden gerade für die ältere Generation immer weiter.
Bei OP-Terminen müssen ältere Leute oft viele Monate warten. Kann man das nur verkürzen, in dem man privat etwas dazuzahlt?
Kunasek: Wir brauchen mehr Ärzte, wir brauchen aber auch mehr Möglichkeiten, ohne Zusatzversicherung Leistungen zu bekommen. Ich habe gerade erst von einem älteren Herrn mit Grauem Star gehört, der eineinhalb Jahre auf eine Operation gewartet hat. Das ist für ein Land wie Österreich und für uns in der Steiermark eigentlich untragbar. Ich getraue mich zu behaupten, mit der richtigen Versicherung und mit der richtigen Polizzennummer wäre das um einiges schneller gegangen und ich verstehe, wenn man sich benachteiligt fühlt.
Der andere große Sorgenbereich dieser Gruppe ist die Pflege. Da hören die Älteren vom Pflegenotstand und Bettenmangel und sind verunsichert. Was ist zu tun?
Kunasek: Ich habe bei meiner Großmutter erlebt, dass die Menschen dieser Generation möglichst lange zu Hause sein wollen. Dazu braucht es den Ausbau der mobilen Pflege, das ist ein Gebot der Stunde. Wenn dann doch nichts anderes übrig bleibt als der Heimplatz, dann muss man auch dort entsprechende Pflege vorfinden, also weniger Bürokratie und mehr Zeit für die Menschen. Es darf nicht sein, dass es in so einer Einrichtung wieder wenig soziale Kontakte gibt, dass die Beschäftigten wenig Zeit für die Bewohner haben.
Zur Pflege gehören die Angehörigen, die so viele ältere Menschen zu Hause liebevoll betreuen. Wir von Abenteuer Alter bezeichnen sie als die Engel der älteren Generation. Finden Sie, dass die pflegenden Angehörigen genug Anerkennung finden?
Kunasek: Das bekommen sie nicht. Zum einen geht es um die verbale Anerkennung für das, was hier vor allem die Frauen leisten. Das andere ist die monetäre Anerkennung, und da fordern die Freiheitlichen schon seit Jahren diese Mehrgenerationenhäuser. Das ist leider noch nicht bei der Landespolitik angekommen.
Sie haben schon angedeutet, dass zum Pflege- und Gesundheitsbereich auch gehört, dass die Menschen mobil sind. Bei der Mobilität der älteren Generation haben wir aber das riesige Problem, dass sie gerade auf dem Land auf das Auto angewiesen sind, aber viele nicht mehr sehr sicher fahren. Das zeigen die Statistik und die Medienberichte. Andererseits: Wenn sie nicht mehr Auto fahren können oder dürfen, verlieren sie nicht nur ihre selbstbestimmte Mobilität, sondern gleich einen großen Teil ihrer Lebensqualität. Ist dieses Dilemma überhaupt aufzulösen?
Kunasek: Ich denke an meinen Großvater, der lange Auto gefahren ist. Er war ein Automensch, und als das nicht mehr ging, ist er wie viele sozusagen in ein Loch gefallen, weil ihm diese Mobilität gefehlt hat. Die Antwort kann natürlich nur sein, dass man wohnortnahe öffentliche Anbindungen hat. Man muss möglichst lange fit bleiben, um das Auto sicher fahren zu können und dann öffentlichen Verkehr in den Regionen schaffen. Auch hier sehe ich das Land und die Gemeinden gefordert, dass es überhaupt einen öffentlichen Verkehr gibt, den die Menschen in Anspruch nehmen können.
Im Großraum Graz und im Bezirk Voitsberg schätzen die Senioren das Angebot der Seniorencard mit den Vergünstigungen und den Angeboten im Freizeit- und Kulturbereich sehr. Sollte es das für alle Steirer dieser Generation geben?
Kunasek: Das wäre sicher gut, weil diese Generation Angebote für eine altersgerechte Freizeitgestaltung verdient.
Vielen Dank!
ZUR PERSON:
Mario Kunasek (48) ist erlernter Kfz-Techniker und ausgebildeter Unteroffizier. Der Grazer kam über die Gewerkschaft zur FPÖ und ist Landesobmann. Kunasek war Landtagsabgeordneter, saß im Nationalrat und war unter Türkis-Blau bis zur Ibiza-Affäre Verteidigungsminister. Seit 2019 ist er Klubobmann der FPÖ im Landtag Steiermark und jetzt erneut Spitzenkandidat. In der Finanzaffäre der Grazer FPÖ ermittelt die Justiz wegen Mitwisserschaft.