Frau Klimt-Weithaler, alle Parteien ringen bei der Landtagswahl um Stimmen. Können Sie uns sagen, warum die Senioren die KPÖ wählen sollen?
Claudia Klimt-Weithaler: Weil die KPÖ eine Politik macht, die für alle Menschen gut ist, weil wir keinen Unterschied machen, wo jemand herkommt, wie alt jemand ist, welche sexuelle Orientierung, ethnische Herkunft oder Religion jemand hat. Für uns sind alle Menschen gleich viel wert und ich spüre sehr oft bei meinen Sozialsprechstunden, zu denen auch viele Ältere kommen, dass die Anliegen sehr vielfältig sind. Es gibt nicht die Seniorin oder den Senior, sondern es sind Menschen, die kommen, und wir versuchen, auf ihre Bedürfnisse einzugehen. Wir nehmen besonders bei Frauen Altersarmut wahr, weil sie früher in Teilzeit gearbeitet haben oder gar nicht. Für sie kann es wirklich sehr schwer sein, ihre Leben auf die Reihe zu kriegen.
Obwohl diese Gruppe so wichtig ist:
Warum gibt es in der Landesverwaltung konkrete Einrichtungen für Kinder, Jugendliche, Frauen und sogar Migrant:innen, aber nicht für die ältere Generation? Warum gibt es eine ähnlich kompetente und schlagkräftige Einrichtung nicht für die Senioren?
Klimt-Weithaler: Das muss man die Verantwortlichen in der Landespolitik fragen, von unserer Seite ist das sehr wohl thematisiert worden. Eben weil es so etwas nicht gibt, arbeiten wir von der KPÖ mit dem Zentralverband der Pensionisten und Pensionistinnen zusammen und bieten einmal in der Woche eine Beratung an. Da geht es zum Beispiel darum, jemandem beim Ausfüllen eines Formulars zu helfen. In diesem Rahmen wurde auch ein Chor gegründet!
Seniorenverbände machen durchaus gute Arbeit, aber viele in der älteren Generation vermissen ein kräftiges, wirkungsvolles Sprachrohr.
Klimt-Weithaler: Ich sehe das auch so. Wir versuchen, die Anliegen dieser Gruppe sehr ernst zu nehmen. Ich versuche, solche Menschen einzuladen, damit ich ihre Probleme besser verstehe. Ich bin gewählt, um Menschen zu vertreten, und wenn sie zu mir kommen, versuche ich auch, das auf die parlamentarische Ebene zu heben.
Wir möchten gerne wissen, wie vertraut Ihnen die Anliegen dieser Gruppe sind. Die Seniorenstudie von Abenteuer Alter hat ergeben, dass es da besonders zwei große Problembereiche gibt, nämlich finanzielle Sorgen und Einsamkeit. Was glauben Sie, wird als das größere der beiden Probleme wahrgenommen?
Klimt-Weithaler: Ich glaube, dass die Einsamkeit an erster Stelle steht, weil das erlebe ich auch in meinen Sprechstunden immer wieder. Aber in einem gewissen Teil der älteren Gesellschaft spielen natürlich auch die Finanzen eine große Rolle.
Kann die Politik beim schwierigen Thema Einsamkeit überhaupt irgendetwas machen?
Klimt-Weithaler: Ich glaube, dass das Land durchaus Angebote in diese Richtung setzen kann. Das müsste halt sehr niedrigschwellig sein. Was die sozialen Probleme betrifft, muss man verstärkt in die aufsuchende Sozialarbeit gehen. Da sollte jemand vorbeischauen und einfach die Leute fragen, wie es ihnen geht und dann stellt sich heraus, dass es tatsächlich Probleme gibt.
Viele Senioren wollen weiter beruflich oder nebenberuflich arbeiten, aber da gibt es Hürden. Welche Hilfestellung wollen Sie anbieten?
Klimt-Weithaler: Ich freue mich immer wieder, wenn ältere Menschen, die durchaus in Pension gehen könnten, sagen, sie möchten noch weiter arbeiten. Und dann gibt es die, die sagen, richtig regelmäßig soll die Arbeit nicht mehr sein. Da finde ich es immer sehr schön, wenn Menschen sich ehrenamtlich engagieren. Jedenfalls geht es auch darum, dass die Erfahrung, die die älteren Menschen mitbringen, weitergegeben werden kann und geschätzt wird.
Das große Thema dieser Generation ist natürlich die Gesundheit. Aber viele sagen, das Gesundheitssystem ist so schlecht geworden. Verstehen Sie diese Einschätzung?
Klimt-Weithaler: Ich sehe das so: Diese Menschen sind noch lange am Leben und zum Glück auch sehr lange gesund. Da braucht es von der Politik einen anderen Fokus. Ich finde, je länger ältere Menschen in ihrem eigenen Umfeld bleiben können, desto besser ist es für sie. Wir sollten eher Unterstützungsleistungen anbieten, wo Hilfe nach Hause kommt. Für mich ist erst der letzte Schritt, wo man sagt, ich gehe jetzt in ein Pflegeheim.
Beim Thema Gesundheit gibt es die Erfahrung der Menschen, dass sie so lange auf eine OP warten müssen. Geht es nur noch mit Geld, dass man rascher einen OP-Termin bekommt?
Klimt-Weithaler: Ich sage, die Zwei-Klassen-Medizin ist schon längst Realität, weil es den Personalmangel und die hohe Zahl an Wahlärzten gibt. Wir haben den Landesrat aufgefordert, dass die Wartezeiten zumindest transparent sein müssen und dass man zu einer Verkürzung kommt.
Wichtige Personen im großen Bereich Pflege sind die pflegenden Angehörigen. Sie betreuen die zu Pflegenden liebevoll und entlasten das Gesundheits- und Pflegesystem. Finden Sie, dass sie genug Anerkennung erfahren?
Klimt-Weithaler: Sicher zu wenig. Wir haben jetzt aber in Graz ein Modell zur Anstellung der pflegenden Angehörigen eingeführt. Es haben sich Leute freiwillig gemeldet, einige sind jetzt angestellt und auch sozialversichert. Wir haben ja das Problem, dass pflegende Angehörige oft keinen Beruf ausüben können und ohne Einkommen dastehen. Wir haben Anträge eingebracht, das auch auf Landesebene einzuführen.
Ein wichtiges Thema für die Lebensqualität der Senioren ist ihre Mobilität. Wir wissen aus Statistiken und den Nachrichten, dass viele Senioren nicht mehr sehr sicher Auto fahren. Ohne Auto verlieren sie nicht nur die selbstbestimmte Mobilität, sondern einen großen Teil der Lebensqualität überhaupt. Was haben Sie für Vorschläge, dieses Dilemma aufzulösen?
Klimt-Weithaler: Ganz wichtig ist, dass man Buslinien und kleine Eisenbahnlinien nicht einstellt, auch wenn sie sich sozusagen nicht mehr rentieren. Da sind oft besonders die Senioren betroffen, die anders nicht von A nach B kommen. Deshalb glaube ich, die öffentliche Hand muss hier investieren und sagen, das ist es uns wert. Gleichzeitig unterstütze ich Modelle auf Gemeindeebene mit verstärkten Mobilitätsangeboten. Da gibt es einige Pioniere, aber das müsste flächendeckend angeboten werden und da ist auch das Land gefragt.
Im Großraum Graz und im Bezirk Voitsberg gibt es sehr erfolgreich die Seniorencard mit vielen Vergünstigungen und Angeboten für die ältere Generation. Sollte das steiermarkweit ausgerollt werden?
Klimt-Weithaler: Ich möchte das sogar noch weiter fassen. Wir kämpfen schon lange für eine Sozialcard, die allen Menschen den Zugang zu Freizeitangeboten und kulturellen Angeboten bietet. Es ist längst an der Zeit, das anzupacken.
Vielen Dank für dieses Gespräch!
ZUR PERSON:
Claudia Klimt-Weithaler (53) stammt aus einem Umfeld in der Stadt Fohnsdorf, das schon immer kommunistisch war. Die Jugend- und Kinderpädagogin wurde 2005 für die KPÖ in den Landtag gewählt, führte die Partei an und ist jetzt zum zweiten Mal Spitzenkandidatin. Wie alle KPÖ-Mandatare zahlt sie mehr als die Hälfte ihres Einkommens als Politikerin in einen Sozialfonds ein. Am jährlichen „Tag der offenen Konten“ legt sie darüber Rechenschaft ab.