Es gibt Menschen, die mit Verstorbenen Kontakt aufnehmen können. Was vielfach belächelt wird, könnte einmal wissenschaftlich bewiesen werden, ist Brigitte Schaffer überzeugt. Sie hat die Gabe, mit dem Jenseits zu kommunizieren.
D er Komponist Gottfried von Einem unterhielt sich zeitlebens mit Geistern und konnte Tote sehen. Für ihn war normal, auf der Straße durch einen Menschen hindurchzugehen. Anekdotisch wird erzählt, dass er dies gern mit einem „Ach, ein Toter“ abtat. Die Bibliothekarin Brigitte Schaffer aus Graz kann mit Verstorbenen in Verbindung treten. Doch wo sind diese überhaupt? Im Jenseits, in der Anderswelt? Schaffer winkt ab, sie möchte es lieber Frequenz nennen, wohin wir nach unserem Tod wechseln. Dorthin führt sie nach Wunsch ihre Klienten. Was viele Menschen als Humbug abtun, wird eines Tages wissenschaftlich beweisbar werden, ist die promovierte Bibliothekarin überzeugt. Die Quantenphysik habe schon bewiesen, dass alles eins ist, und – salopp formuliert – nix fix. Ihre Basis ist der Schamanismus, dass es sich dabei um keinen Hokuspokus handelt, ist mittlerweile auch schon bewiesen: Vor rund 50 Jahren, als sich die Forscher mit dem Thema auseinandersetzten und erstmals sich selbst an Halluzinogenen versuchten, zeigte sich, dass die Wissenschaftler unter Drogeneinfluss dieselben Bilder sahen als die Schamanen bei ihrer Arbeit. Die Schweizer Soziologin Evelyn Elsaesser erforscht schon seit über 30 Jahren Nachtod-Phänomene, Begegnungen zwischen Verstorbenen und Lebenden, die 40 bis 50 Prozent der Menschen haben. Es scheint also etwas dran zu sein.
Dass das Universum ein großes Ganzes ist und jeder Einzelne von uns ein kleiner Teil davon, davon ist Brigitte Schaffer seit ihrer Jugend überzeugt. Mit dem Besuch eines Seminars zum Thema Schamanismus vor vielen Jahren ist der Groschen gefallen: Schon nach 15 Minuten war klar, dass mit dieser Naturlehre ein neuer Lebensinhalt gefunden war. Schamanismus, das versteht Heilen und Harmonien in Einklang bringen, die Herangehensweisen und Techniken sind vielfältig; Brigitte Schaffer wollte ihre Begabung im Bereich Sterben einbringen. Schamanische Techniken, so erklärt sie, könne man lernen, eine Gabe dafür müsse jedoch vorhanden sein. Ihre Gabe ist es, Menschen mit auf eine schamanische Reise zu Verstorbenen mitzunehmen, zu den Spirits. Diese Reise wird eingeleitet von einer Trommel oder Rassel, die nachgewiesenermaßen im Gehirn Thetawellen entstehen lassen, die sich auch im Schlaf kurz vor Traumbeginn zeigen und die für die entstehenden Bilder zuständig sind. In dieser anderen Frequenz angekommen, berichtet sie ihren Klienten, was sie sieht und erlebt, die Interpretation bleibt diesen vorbehalten. Sie trifft dort auf Leute, die „sich für die Kommunikation zur Verfügung stellen“, wie die Schamanin es nennt, und das sind nicht immer jene Menschen, zu denen die Klienten Kontakt suchen, auch wenn diese in der Regel in irgendeiner Weise in Erscheinung träten.
Die Menschen, die zur Schamanin kommen, haben verschiedene Anliegen. Man möchte wissen, ob der Verstorbene „drüben“ gut angekommen ist, nicht selten plagen den Lebenden Schuldgefühle. Oft kommen Menschen zu ihr, die Angehörige durch Suizid verloren haben und die ein schlechtes Gewissen plage, dem Suizid nicht besser entgegengewirkt zu haben. Dazu kommt, dass uns religiöse Weltanschauungen prägen und nach dem katholischen Glauben Suizid noch immer eine Sünde ist. Brigitte Schaffer berichtet von einer Frau, die als kleines Mädchen ihre Mutter verloren hat, weil diese ihrem Leben ein Ende setzte. Zeitlebens hat sie ihre Mutter vermisst und war im Unklaren darüber, warum diese freiwillig gegangen ist. Brigitte Schaffer bat die Tochter bei ihrem Besuch, sich gedanklich einen Platz zu suchen, an dem sie sich wohlfühlte, es war eine Blumenwiese. Die Schamanin machte sich auf die Reise, die Mutter erschien, setzte sich zu ihrer Tochter und erzählte dieser von ihrer ausweglosen Situation damals und dass sie die Tochter unter normalen Umständen nie verlassen hätte. Erfahrungen wie diese erleichtern in der Regel den Trauerprozess und sind oft Ausgangspunkt, um das Leben neu zu gestalten, weiß die Schamanin.
Die Spirits „auf der anderen Seite“ beschreibt Brigitte Schaffer als geläutert, mit dem Abfallen des Leibes, so vermutet sie, ist auch viel Last abgefallen. Die Energie jedoch bleibe. Wohlwollend seien die Begegnungen mit diesen Energien, es sind, wie Schaffer mitunter wahrnimmt, eher die Lebenden, die Last drückt, und die ihrerseits nicht bereit sind, sich auf diese Verbindung mit der Anderswelt einzulassen. Sie erinnert sich an eine Frau, die zeitlebens Probleme mit der Mutter hatte, und das auf einer schamanischen Reise bereinigen wollte. Die Mutter, die erschien, entgegnete, mit der Tochter nun sehr wohl im Reinen zu sein, diese könnte ihr aber einen Strauß Blumen ans Grab legen. Die Tochter entgegnete nach der Reise abrupt: Fällt mir nicht ein!
Die Begegnungen, die Brigitte Schaffer hat, erscheinen als Körper, als Schatten oder nur als Licht. Derweil denken sich ihre Klienten an einen Platz ihrer Wahl, deren Aufgabe liegt nur darin, dort zu bleiben und gedanklich nicht abzuschweifen. Erst nach der Reise wird das Erlebte besprochen. Oft ist das, was Brigitte Schaffer bei der Seelenreise erlebt, selbsterklärend, manches Mal müssen die Hinterbliebenen aus dem Gehörten für sich Sinn und Bedeutung finden. Die schamanische Arbeit, die danach folgt, soll reinigen und einen Zustand der Harmonie herstellen. Nicht selten kommt vor, dass Menschen bei diesem Gespräch einschlafen, weil sie endlich zur Ruhe gefunden haben. Wichtig sind dabei Bilder, schildert Brigitte Schaffer, so bleibt das Gehörte und Erlebte besser in Erinnerung. Auch beim Analysegespräch nach der Reise arbeitet sie damit. Gilt es einen speziellen Vorfall aus der Vergangenheit zu bearbeiten, beschreibt sie die Seele der Betroffenen im damaligen Zustand: Bei einem kindlichen traumatischen Erlebnis etwa sieht sie beispielsweise das Mädchen in Latzhose mit Zöpfen, in diesem Fall obliegt es der Klientin, den Zeitpunkt und die Umstände gegenständlichen Vorfalles aus sich selbst herauszufinden und einzuordnen.
Dass ihre Arbeit gern belächelt wird, daran ist Brigitte Schaffer gewöhnt. Dennoch schwört sie auf die jahrtausendealte Naturreligion des Schamanismus. Wie überhaupt die Naturvölker besser mit der Welt verbunden waren als wir es sind. Sie ist überzeugt, dass jeder Mensch die Gabe hat, mit der Natur in Einklang zu sein. „Wir überhören einfach viel“, sagt die Schamanin. Umso erfreulicher findet sie, dass mit dem Boomen ostasiatischer Religionsvorstellungen Themen wie Achtsamkeit wieder mehr in das Bewusstsein der Menschen gekehrt ist. Im Schamanischen ist es das Krafttier, das eine bedeutende Stellung einnimmt. Brigitte Schaffer schickt ihre Krafttiere auch aus, wenn es darum geht, auf ihren schamanischen Reisen Probleme zu lösen. Das beschreibt sie als eine immer wiederkehrende Erfahrung – diese Menschen sind in der Regel auch im irdischen Leben unfrei. Umgekehrt haben die Seelen im Jenseits auch Bedürfnisse, auch sie brauchen Licht. Zünden Sie also für Ihre Verstorbenen ein Kerzerl an, rät die Schamanin. Für sie sind diese Energien wie Schutzengel, die auf die Lebenden aufpassen. Dessen sollte man sich Gewahr sein, trotz aller Skepsis.