„Als wäre es gestern gewesen“, schüttelt Anna Maria Haiden fast ungläubig den Kopf, als sie auf das Hochzeitsfoto in ihren Händen blickt. Während ihr Ehemann Erwin ihr liebevoll in die Augen schaut und meint: „Man glaubt es einfach nicht, dass es schon 50 Jahre her ist, seit wir geheiratet haben.“ Tatsächlich aber haben die pensionierten Wirtsleute im vergangenen Herbst ihre „Goldene“ gefeiert.
An den Tag im Jahr 1972, an dem sie einander das Jawort gegeben haben, erinnern sich die beiden noch ganz genau. „Es war eine absolute Liebesheirat, um die wir sehr kämpfen mussten“, nennt Erwin eines der Geheimnisse, warum ihre Ehe nun schon ein halbes Jahrhundert hält. Anna Maria war nämlich gerade einmal 15 Jahre, als ihr Augenzwinkern dem um fünf Jahre älteren Schneiderlehrling in Wundschuh den Kopf verdrehte. „Sie hat mich schon ein bisschen umworben“, schmunzelt der rüstige Pensionist. Aber: „Natürlich ist sie mir auch aufgefallen – sie war ein sehr hübsches Mädl.“ Bei diesen Komplimenten gerät dann auch Anna Maria, die im Juli 70 wird, ins Schwärmen: „Er war ein sehr fescher, dunkler Typ. Und so braun gebrannt! Das hat mir einfach gefallen.“ Weniger gefallen hat das jedoch den Eltern der künftigen Braut, die Wind von der Leidenschaft der Tochter bekommen und das Gspusi umgehend beendet haben. Anna Maria musste zurück ins elterliche Wirtshaus nach Bad Gleichenberg und Erwin zum Bundesheer. Die beiden zehrten zwar noch einige Zeit von den vielen Liebesbriefen, die Anna Maria ihrem Erwin geschrieben hat, und von der Erinnerung ans Fensterln, bald aber herrschte Funkstille.
Aber nachdem wahre Liebe bekanntlich nicht erlischt, kam es nach etwa zwei Jahren bei einem Ball in Wundschuh zum erneuen Aufflammen der Leidenschaft – und diesmal sollte es für immer sein. „Ihre Eltern haben das Gasthaus dort geführt. Sie hat am Ball gearbeitet, ich war Gast und wurde damals gerade von einer anderen sehr umschwärmt. Aber Anna Maria war einfach meine Favoritin“, kann sich Erwin noch ganz genau an den alles entscheidenden Abend erinnern.
Nach Abschluss von Lehre und Schule war der Weg dann frei für die Hochzeit und Erwin hielt bei Anna Marias Eltern um die Hand ihrer Tochter an: „Ich bin nach Bad Gleichenberg gefahren und habe mir die Erlaubnis geholt – und sie auch bekommen.“ Geheiratet wurde dann am 12. Juli 1972 in einer Doppelhochzeit. „Mein Bruder ist gleichzeitig mit seiner Frau an den Traualtar getreten“, erinnert sich Anna Maria zurück. Wie auch an die Geschichte mit dem Brautstrauß: „Der erste ist auf dem Friedhof gelandet, weil meine Schwiegermutter ihren Sohn rügte und meinte, ‚mit so etwas kannst du nicht heiraten‘. Mein künftiger Mann ist daraufhin nach Graz gefahren und hat einen neuen Strauß besorgt – wunderschöne Orchideen waren es“, erzählt Anna Maria und zeigt Fotos von Hochzeit und Hochzeitsreise. Diese hat die beiden mit ihrem schnittigen Opel Rekord Coupé, rot mit schwarzem Dach, nach Tirol geführt.
Im Jänner 1973 haben die beiden dann das Gasthaus in Wundschuh übernommen und es bis 2010 mit großem Erfolg und viel Leidenschaft geführt: „Jetzt ist dort unser Sohn Erwin der Chef und wir springen nur mehr ein, wenn es ganz notwendig ist“, erzählen die beiden, die auch eine Tochter und insgesamt vier Enkelkinder haben, voller Stolz.
Nach dem Rezept für 50 glückliche Ehejahre gefragt, schießt es unisono aus den beiden: „Zusammenhalten und zusammenraufen!“ Und Erwin setzt nach: „Das war früher so, als alles noch mechanisch war, da hat man repariert, wenn etwas nicht in Ordnung war. Heute ist alles elektronisch – wenn es fertiggefahren ist, schmeißt man es weg!“
Ans Wegschmeißen ihrer Ehe haben die beiden übrigens in keiner Sekunde gedacht: „Wir haben die Tiefen einfach gemeinsam durchtaucht. Das schweißt zusammen. Und an Streitereien scheitert eine Ehe sowieso nicht. Die hat es natürlich gegeben, aber das sind ja harmlose Alltagsdinge und Bagatellen, davon zerbricht eine Ehe doch nicht.“ Und Erwin betont noch einmal die Basis für das lange Eheglück: „Es war eine absolute Liebeshochzeit. Wir mussten sehr darum kämpfen!“
Dass man heute so schnell und häufig wieder auseinandergeht, sehen die beiden als ein generelles Zeichen der Zeit: „Es wird heute einfach alles leichter gemacht und leichter genommen – das Zusammenziehen, das Trennen, das Aufgeben von Dingen. Da dachte man früher konservativer und man hat sich alles mehr erarbeiten und erkämpfen müssen – dann gibt man es auch nicht so einfach wieder auf!“
Der Urlaub war damals beispielsweise so eine erkämpfte Sache. „Wir mussten uns die Zeit dafür fast stehlen. Dafür haben wir uns dann aber auch dreimal mehr gefreut“, erzählt Anna Maria und erinnert sich, wie sehr sie dann stets einige gemeinsame Tage genossen haben. Das machen die beiden übrigens auch heute noch: „Zur Goldenen haben wir wieder eine Hochzeitsreise gemacht – wir waren mit dem Auto in Dänemark“, verrät Anna Maria. Und Erwin lacht: „Diesmal war es ein VW T-Rock, in Curcuma Gelb.“ Reisen ist übrigens eine der großen Leidenschaften, mit der die beiden auch immer wieder frischen Wind in ihre Beziehung bringen: „Belgien, Holland, Luxemburg, die Ostsee wurden bereist. Heuer wollen wir nach Frankreich fahren. Aber jetzt geht es einmal auf die Schipiste nach Flachau“, geben die beiden Einblick in ihr aktives und harmonisches Eheleben. „Und das wird mit dem Alter immer schöner“, sind sich die beiden einig und freuen sich deshalb schon auf die Diamantene!